Linguistik online  14, 2/03

Die Konstituierung von Interkulturalität in der deutsch-
schwedischen Wirtschaftskommunikation

(Berlin)



1 Einleitung

Seit den 1990er Jahren beschäftigt sich die Linguistik mit der Erforschung schriftlicher und mündlicher Interaktionen in wirtschaftlichen Kontexten. (cf. zum Literaturüberblick Brünner 2000: 34-45). Ein immer mehr an Bedeutung gewinnender Bereich alltäglicher Wirtschaftskommunikation ist die interlinguale [1] Wirtschaftskommunikation, die betriebsexternen als auch betriebsinternen Charakter tragen kann. Im Zusammenhang der Entstehung eines europäischen Binnenmarktes und im Zuge zunehmender Bildung von Tochter-Unternehmen und wachsender Wirtschaftsverflechtungen nimmt nicht nur der Kontakt mit ausländischen Partner/inne/n und Kund/inn/en stetig zu, sondern es arbeiten auch immer mehr internationale Arbeitsgruppen im Unternehmen zusammen.

Im Fokus linguistischer Untersuchungen steht hierbei häufig die Frage, welchen Einfluss der Faktor Kultur auf die Wirtschaftskommunikation hat und inwiefern sprachliches Handeln konstitutiv für gesellschaftliche Wirklichkeit und somit auch für Kultur ist. Innerhalb der linguistischen Pragmatik werden kommunikative Praktiken untersucht, mit denen im Gespräch kulturelle Zugehörigkeit relevantgesetzt wird. Es wird der Frage nachgegangen, mit welchen sprachlichen Mitteln die Interagierenden ihre kulturelle Selbstverortung, die sie als different zu der ihres Gegenübers kommunikativ darstellen, anzeigen und somit ein interkulturelles Kommunikationsereignis konstituieren. Des Weiteren wird in diesem Zusammenhang untersucht, was in den jeweiligen Gesprächen als "Kultur" von den Interagierenden konstruiert wird.

In dem vorliegenden Beitrag wird diesen Fragen anhand von Gesprächen zwischen deutschen und schwedischen Erstsprachler/inne/n im Unternehmensalltag nachgegangen und besonders unter dem Aspekt der Konstituierung von Interkulturalität betrachtet. Um sich diesen Fragestellungen nähern zu können, werden zu Beginn die Begriffe Kultur und Interkulturalität betrachtet (cf. Kap. 2), um darauf aufbauend Kategorien zu entwickeln, mit denen sich Gesprächssequenzen als interkulturell qualifizieren lassen (cf. Kap. 3). In Kap. 4 werden anhand ausgewählter Auszüge unterschiedliche sprachliche Mittel der Sichtbarmachung kultureller Zuschreibung dargestellt, die dann besonders unter dem Fokus ihrer interaktionistischen Funktion im Gespräch betrachtet werden

 

2 Kultur und Interkulturalität

Die Beschäftigung mit der Frage nach der interaktiven Konstituierung von Interkulturalität bedarf als erstes der Einordnung der Begriffe Kultur und Interkulturalität.

In der linguistischen interkulturellen Kommunikationsforschung wurde bisher häufig von der Annahme ausgegangen, dass Interkulturalität gleichbedeutend mit Interlingualität ist. Interkulturalität wird hierbei als ein voranalytisches Konzept aufgefasst, das dadurch bestimmt ist, dass die jeweiligen Interagierenden Sprecher/innen unterschiedlicher Erstsprachen und somit unweigerlich Mitglieder unterschiedlicher Kulturen mit unterschiedlichen Erfahrungen, Orientierungen und Werten sind. Dieses Konzept betrachtet Kultur als einen extrakommunikativen Faktor und kulturelle Zugehörigkeit als omnipräsente, statische Entität, auf die in den Gesprächen permanent zurückgegriffen wird und die sich in interkulturellen Gesprächen empirisch über Häufungen von Missverständnissen und Verstehensschwierigkeiten nachweisen und in einen ursächlichen Zusammenhang bringen lässt. Der kulturellen Zugehörigkeit der Gesprächsteilnehmenden wird mit dieser Herangehensweise eine negative Relevanz für die Gesprächsgestaltung zugesprochen. Kommunikative Ressourcen, die die Interagierenden in interlingualen Situationen für den Verständigungsprozess nutzen, sowie die Bedeutung anderer sozialer Kontextfaktoren (Status, Gender, Alter u.a.) werden durch eine solche Betrachtungsweise systematisch außer Acht gelassen.

Die Schwierigkeit, Verstehensprobleme und kulturelle Zugehörigkeit in einen kausalen Zusammenhang zu bringen, soll an folgendem Beispiel illustriert werden. Der Ausschnitt entstammt einem Telefongespräch zwischen einem deutschen und einem schwedischen Erstsprachler und wurde im Monat Mai aufgezeichnet.

[A: deutscher Erstsprachler; B: schwedischer Erstsprachler]

Sprecher A produziert auf die Frage nach seinem Befinden die Äußerung in Zeile 006, die Sprecher B auch nach zweifachem Nachfragen und Lachen von A nicht als Witz ratifiziert. Anhand dieses konkreten Datums kann anhand der Äußerungsgestaltung nicht festgelegt werden, aufgrund welcher kontextuellen Umstände B den Witz von A nicht verstanden hat und ein Verstehensproblem entsteht. Eine soziale Kategorie lässt sich an diesem Gespräch nicht nachweislich als Einflussgröße festmachen. Es kann hier einzig spekuliert werden, ob in dem konkreten Kommunikationsereignis eines höchst komplexen und erfolgsorientierten Gespräches aus dem Unternehmensalltag Interkulturalität äußerungs- und handlungsrelevant ist.

Für die rekonstruktive Erforschung von Interkulturalität ist es demnach erforderlich, relevante Kategorien zu finden, mit denen sich kommunikative Sequenzen als interkulturell qualifizieren lassen. Die Bedeutsamkeit differenter kultureller Zugehörigkeit soll nun in den Daten in jedem konkreten Fall anhand interaktionsstruktureller Hinweise nachgewiesen werden, ohne diese bereits a priori als äußerungsrelevant vorauszusetzen. Dazu soll zunächst das zugrundeliegende Kulturverständnis skizziert werden.

Von Kultur als analytischer Kategorie soll im Folgenden nur im Zusammenhang mit Ingroup/Outgroup-Darstellungen gesprochen werden. Unter Kultur wird eine Wir-Gruppe bzw. Ingroup verstanden, die sich in und durch Interaktion von einer anderen Gruppe, die dadurch zur Outgroup wird, ab- und ausgrenzt. Die kommunikative Hervorbringung von Kultur ist wesentlich mit Distinktionspraktiken verbunden. Hausendorf (1995) versteht aufgrund dieses funktionalen Aspektes der Ab- und Ausgrenzung Kultur als eine Basiskategorie im Sacks´schen Sinne (cf. Sacks 1995) "[...] derer sich Teilnehmer bedienen, um Eigenes und Fremdes zu definieren." (Hausendorf 1995: 121) Die Aktualisierung von Kultur hat weniger mit faktischen Unterschieden zwischen Gruppen als mit Grenzziehung zu tun.

Kultur wird vor diesem Hintergrund als eine kommunikative Konstruktion verstanden, die nicht ohne kommunikatives Handeln existiert (cf. Kotthoff 2002). Die kulturelle Zugehörigkeit der Interagierenden wird kommunikativ hervorgebracht (cf. Hausendorf 2000: 6, Günthner 1999: 253). Kultur materialisiert sich nicht einfach in der Art sprachlichen Handelns, sondern sprachliches Handeln trägt wesentlich dazu bei, dass kulturelle Identität lokal (re-)produziert wird. Die Gesprächsteilnehmer/innen machen durch ihre sprachlichen Aktivitäten sichtbar, dass sie sich zu einer kulturellen Gemeinschaft zugehörig fühlen und was diese dadurch abgrenzbar und relativ homogen gemachte Entität von anderen unterscheidet.

Die Interagierenden machen sichtbar, dass differente kulturelle Zugehörigkeit für sie relevant ist und konstruieren lokal ihr aktuelles Kulturverständnis als z.B. Nationalkultur, Generationenkultur, Unternehmenskultur, Regionalkultur usw. Das heißt, die Interagierenden zeigen im Gespräch an, was für sie in der jeweiligen Situation Kultur beinhaltet. Es ist somit in dem vorliegenden Beitrag deutlich zu unterscheiden zwischen Kultur als analytischer Kategorie im Zusammenhang mit Ab- und Ausgrenzungspraktiken und Kultur als Teilnehmerkategorie, die lokal konstruiert wird im essenzialistischen Sinne als z.B. Nationalkultur, als Regionalkultur oder z. B. Parteienkultur. Mit welchen sprachlichen Mitteln diese Grenze in den deutsch-schwedischen Wirtschaftsgesprächen gezogen wird und was in diesem Zusammenhang als "unser" und "euer" relevantgesetzt wird, soll ein zentraler Aspekt sein, unter denen die in dem Beitrag untersuchten Gespräche analysiert werden.

Ein konstruktivistisches Kulturverständnis versteht Kultur nicht bereits als a priori für die Gesprächsgestaltung relevant, als omnipräsenten Kontext, der in die Interaktion transferiert wird, sondern muss erst durch die Interagierenden in der Kommunikation als Kontext relevantgesetzt werden. Kulturelle Zugehörigkeit muss durch die Gesprächsteilnehmenden im Gespräch sichtbar gemacht und gefüllt werden, um in der Analyse als relevante Kontext-Kategorie berücksichtigt werden zu können und kann und soll in der Analyse nur dann als handlungs- und äußerungsrelevant beschrieben werden, wenn sich die Interagierenden in rekonstruierbarer Weise an ihr orientieren. Als zu welcher sozialen Gruppe zugehörig eine Person wahrgenommen wird, wird in und durch Interaktion gegenseitig wahrnehmbar gemacht ("Är Du från Tyskland?" [Bist Du aus Deutschland?], "hos oss i Sverige säger man ..." [bei uns in Schweden sagt man...]). Es zählt daher nicht, welche unterschiedlichen sozialen Identitäten eine Person für sich beansprucht, sondern welche dieser Kategorisierungen in der Interaktion als relevant markiert wird.[2] Kultur wird hier im Rahmen eines ethnomethodologisch-konversationsanalytischen Ansatzes als eine kontextabhängige Variable verstanden, die auch immer im Spannungsfeld von Beziehungen zu anderen sozialen Gruppen in einer Gesellschaft ensteht.[3]

Mit einem konstruktivistischen Kulturverständnis werden im Folgenden Kommunikationsereignisse dann als interkulturell bezeichnet, wenn die kulturelle Zugehörigkeit durch die Interagierenden als different relevantgesetzt wird.[4] Die Interagierenden stellen in interkulturellen Episoden implizit oder explizit dar, wie sie sich und ihr Gegenüber kulturell verorten (cf. Hausendorf 2000: 3) und wie sie Kultur kontextabhängig konzeptionieren Die Darstellung kultureller Verortung, ist Teil des Manifestationsprozesses von Interkulturalität. Für die empirische Untersuchung deutsch-schwedischer Wirtschaftsgespräche heißt dies, dass die interlingualen Gespräche zwischen deutschen und schwedischen Erstsprachler/inne/n durch die verbale Bezugnahme auf differente kulturelle Zugehörigkeiten als interkulturell konstituiert werden müssen, das heißt auch Interkulturalität ist ein kommunikatives Konstrukt.

So gesehen kann eine kulturwissenschaftlich orientierte angewandte Gesprächslinguistik zum einen die Aufgabe wahrnehmen, sprachliche Mittel der Manifestation von Kulturalität und Interkulturalität in verbaler mündlicher Interaktion detailliert zu beschreiben und zu analysieren. Zum anderen kann sie ermitteln, was in unterschiedlichen institutionellen Kontexten von den Aktant/inn/en als "Kultur" bzw. "kulturell" konstruiert wird und welche Funktion die Relevantsetzung von Interkulturalität in den jeweiligen Gesprächen hat.

In interkulturellen Gesprächsepisoden zeigen sich die Gesprächspartner/innen an, dass sie sich an ihrem Gegenüber als an einem Mitglied einer anderen Kultur orientieren und dass diese Orientierung für sie relevanter Gesprächskontext ist. Interkulturelle Kommunikation wird somit als ein temporäres kommunikatives Ereignis verstanden, in dem die Teilnehmenden ihr Verständnis kultureller Divergenz explizit oder implizit darstellen.

Die interkulturelle Orientierung der Aktant/inn/en wird beobachtbar und empirisch fassbar, wenn sie sich an der sprachlichen Oberfläche manifestiert. Die These der interaktiven Sichtbarmachung der kulturellen Selbst- und Fremdverortung liefert den notwendigen theoretischen Hintergrund für eine Analyse "from the data themselves". Diese Oberflächenorientierung entspricht der methodologischen Display-Prämisse der ethnomethodologischen Konversationsanalyse, die von der Annahme ausgeht, dass sich die Gesprächsproduzierenden gegenseitig aufzeigen, wie sie ihre Äußerungen wechselseitig interpretieren. Die ethnomethodologische Konversationsanalyse bietet für eine Beschreibung von Gesprächen die Möglichkeit, Interkulturalität textimmanent zu analysieren.

Ich betrachte Gespräche zwischen deutschen und schwedischen Erstsprecher/inne/n als möglichen Ort interkultureller Begegnung. Die sprachlichen Zugehörigkeitskategorien "schwedisch" und "deutsch" betrachte ich nur als potenziell kulturelle Kategorien, die in der jeweiligen Situation relevantgesetzt und durch die Gesprächsproduzierenden kommunikativ lokal gefüllt werden müssen (cf. Sacks 1995, Hausendorf 2000). Eng verbunden mit der kulturellen Verortung von Menschen ist Sprache, die somit grundsätzlich auch das Potenzial zum Verweis auf Kulturalität hat. Interlinguale Beteiligung kann als Indikator für Interkulturalität gelten (cf. Schmitt/Keim 1995: 418), qualifiziert Gespräche aber nicht unweigerlich als interkulturell.[5] Durch die Maxime des notwendigen Nachweises divergenter kultureller Zugehörigkeit soll vermieden werden, nur aufgrund unterschiedlicher sprachlicher Zugehörigkeit auch zwangsläufig Interkulturalität als handlungsrelevant zu betrachten.

Mit dem vorliegenden Beitrag soll versucht werden, für den Bereich von Telefoninteraktionen zwischen deutschen und schwedischen Erstsprachler/inne/n in einem professionellen Setting zum einen zu untersuchen, mit welchen sprachlichen Mitteln das Eigenes und Fremdes, das sich zunächst einmal nur durch differente Sprachzugehörigkeit konstituiert,[6] im Gespräch relevantgesetzt und als eine kulturelle soziale Kategorie lokal konstruiert wird und zum anderen welchen Zusammenhang professionelles Setting und die interaktive Konstruktion von Kultur haben.

Für diese Fragestellungen wird im Folgenden das ethnomethodologische Konzept der interkulturellen accounts skizziert, das der empirischen Analyse zugrunde liegt.

 

3 Manifestationen der interkulturellen Orientierung der Beteiligten

Als Manifestationen von Interkulturalität werden im Folgenden sprachliche Handlungen verstanden, mit denen die Interagierenden differente kulturelle Verortung kommunikativ darstellen. Derartige Kontextualisierungen (cf. Sacks 1995) einer interkulturellen Orientierung der Interagierenden werden innerhalb der Konversationsanalyse auch als interkulturelle accounts bezeichnet (cf. Wolf 1998, Dausendschön-Gay/Krafft 1998). Der Begriff account lehnt sich hier an Bergmanns (1974: 87) erweiterten account-Begriff an, der damit sprachliche Handlungen bezeichnet, die "[...] die Ordnung der sozialen Welt beschreiben und sichtbar machen" und stützt sich auf die ethnomethodologische Position, dass sich die Agierenden im Prozess ihres Handelns anzeigen, um welche Art von Interaktion es sich handelt (cf. Garfinkel 1967, Schmitt 1992: 84, Auer 1999: 133).[7] Das Gesprächssetting wird somit erst durch sprachliches Handeln erzeugt.[8]

Interkulturelle accounts sind sprachliche Handlungen, mit denen die Gesprächsteilnehmer/innen ihre Orientierung an einer interkulturellen Situation kontextualisieren und somit Kultur herstellen. Interkulturelle accounts treffen keine Aussagen über die bewussten/unbewussten Orientierungen der Gesprächsproduzierenden, sondern subsumieren sowohl bewusste als auch unbewusste Handlungen.(cf. zum account-Begriff auch Schmitt 1992: 85ff). Dieses weite Konzept der interkulturellen accounts umfasst sämtliche sprachlichen Aktivitäten, in denen sich die interkulturelle Orientierung der Interaktant/inn/en manifestiert (cf. Wolf 1998: 127).

Die Manifestationen interkultureller Orientierung können entweder explizit oder implizit hergestellt werden (cf. Wolf 1998: 127ff). Explizite interkulturelle accounts bezeichnen Verfahren, mit denen die Interagierenden ihren Gesprächspartner/inne/n ausdrücklich explizite Bezeichnungen für kulturelle Zugehörigkeit zuschreiben. Ein Beispiel ist: "So kann ja auch nur eine Finnin fragen." Die kulturelle Zuschreibung wird deutlich benannt (cf. Wolf 1998: 127f), und es wird eine Kategorie als kulturell geschaffen (hier z.B. bestimmte Fragestandards als finnisch). Manifestationen von Interkulturalität ohne namentliche Nennung der als kulturell konstruierten Kategorie werden unter der Bezeichnung implizite interkulturelle accounts subsumiert. Die Interagierenden produzieren vor allem einen spezifischen Rezipientenzuschnitt (recipient design),[9] mit dem sie darstellen, dass sie ihr Gegenüber als zu einer differenten kulturellen Gruppe zugehörig einordnen. Die unterschiedlichen Manifestationsformen interkultureller Orientierung der Beteiligten qualifizieren fokale kommunikative Ereignisse als interkulturelle Kommunikation und bilden den Gesprächskontext bzw. -kotext für nachfolgende Kommunikationsereignisse.

 

4 Manifestationen einer interkulturellen Orientierung in der deutsch-schwedischen Wirtschaftskommunikation

4.1 Einleitung

Bei der Analyse der deutsch-schwedischen Telefoninteraktionen aus dem professionellen Unternehmensalltag lassen sich zwei Praktiken rekonstruieren, mit denen die Interagierenden kommunikativ darstellen, dass sie sich selbst oder ihre Gesprächspartner/innen als zu einer anderen Kultur zugehörig wahrnehmen: Die Selbst- und Fremdverortung erfolgt:

Der Begriff kulturelles Wissen wird hier als ein Entwurf der Interagierenden begriffen und bezeichnet die Annahmen der Gesprächsteilnehmenden über die gemeinsamen Kenntnisse einer Gemeinschaft, die sie als eine kulturelle Gemeinschaft kategorisieren (cf. Günthner/Luckmann 1995). Die Bezugnahme auf eine als kulturell kategorisierte Gemeinschaft kann die eigene oder die fremde betreffen. Die jeweiligen Präsentationen und Antizipationen können entweder explizit oder implizit realisiert werden. So lassen sich interkulturelle accounts dahingehend unterscheiden, ob die Teilnehmenden ihr kulturelles Wissen über die fremde Kultur, zu der sie das Gegenüber zuordnen, oder das potenzielle kulturelle Wissen ihrer Gesprächspartner/innen über die Kultur, zu der sie sich zuordnen, implizit oder explizit bearbeiten.

Die interaktionistische Darstellung kultureller Differenz wird in den vorliegenden Daten erstens durch die implizite Präsentation kulturellen Wissens (Kap. 4.2), zweitens durch die explizite Präsentation kulturellen Wissens (Kap. 4.3) und drittens und am häufigsten durch die implizite Antizipation angenommenen differenten kulturellen Wissens (4.4) erfüllt. Im Folgenden werden unterschiedliche sprachliche Realisierungsformen dieser Mittel vorgestellt, mit denen die Interagierenden sich in deutsch-schwedischen Telefoninteraktionen aus dem professionellen Unternehmensalltag gegenseitig sichtbar machen, dass sie ihre Gesprächspartner/innen als zu einer anderen Kultur zugehörig wahrnehmen bzw. ihre Wahrnehmungen von Differenz als kulturell kommunikativ darstellen.

4.2 Implizite Präsentation kulturellen Wissens

Die implizite Präsentation kulturellen Wissen wird in den vorliegenden Daten zum Beispiel auf lexikalischer und auf aktivischer Ebene realisiert. Der nachfolgende Transkriptausschnitt soll als ein Beispiel betrachtet werden.

Datum 1:

[A: deutscher Erstsprachler, B: schwedischer Erstsprachler]

In Datum 1, Zeile 069, stellt Sprecher A auf lexikalischer und aktivischer Ebene seine Kenntnisse einer als schwedisch angenommenen Kultur und ihrer rituellen Handlungen dar. Er präsentiert zum einen mit dem Referenzausdruck !MID!summer als auch durch die Frage nach einer möglichen Schließung sein Wissen über das Mittsommerfest als wichtigen jährlichen Orientierungspunkt, der in der Regel mit Urlaub verbunden ist.

Mit der Verwendung des Referenzausdrucks !MID!summer, mit dem Sprecher A auf das Wochenende zwischen dem 20. und 26. Juni referiert, produziert er einen speziellen Adressatenzuschnitt, mit dem er kenntlich macht, dass er seinen Gesprächspartner B als zur schwedischen Kultur zugehörig wahrnimmt. A antizipiert, dass B dem Ausdruck !MID!summer eine Bedeutung zuschreiben kann. Der Referenzausdruck !MID!summer ist in diesem Gesprächsbeitrag eine Interferenzerscheinung aus dem schwedischen "midsommar" und dem englischen "Midsummer's Day".[10] Diese Interferenz in einem Gespräch in einer Lingua Franca verweist auf die interlinguale Gesprächssituation. Gleichzeitig wird durch die Wahl des Referenzausdrucks !MID!summer anstelle einer Datumsangabe (z.B. 20. Juni) die Relevanz dieses Datums für Sprecher A deutlich. Der Adressatenzuschnitt mit dem gewählten Referenzausdruck ist insofern eine Manifestation interkultureller Orientierung, als dass dadurch die Annahme transportiert wird, dass das Mittsommerfest ein spezifisch schwedisches Fest ist, von dem alle schwedischen Bürger/innen (im Gegensatz zu Nicht-Schwed/inn/en) wissen, wann es stattfindet.

Die Frage nach der vorübergehenden Schließung einer Firma, auf die sich Sprecher A mit der Proform they bezieht, impliziert die Annahme, dass eine solche Schließung aufgrund des Mittsommerfestes wahrscheinlich ist, und somit gleichzeitig auf der Handlungsebene die implizite Präsentation des Wissens um den hohen Stellenwert dieses Festtages in Schweden. Sprecher B ratifiziert die vorangegangene Äußerung ohne weitere Bearbeitung des verwendeten Referenzausdrucks und macht somit deutlich, dass er sowohl dem verwendeten Referenzausdruck als auch der gesamten Äußerung eine Bedeutung im Kontext zuschreiben konnte.

Mit der impliziten Präsentation von Wissen, das als kulturell angezeigt wird, schreibt A seinem Gesprächspartner B kulturelle Zugehörigkeit gleichsam zu und macht explizit deutlich, dass die differente kulturelle Zugehörigkeit des Gegenübers für ihn in der aktuellen Kommunikationssituation bewusst ist. Gleichzeitig zeigt er an, welche Aspekte von Kultur für ihn in der fokalen Situation relevant sind, nämlich regionalkundliches Wissen um Betriebsferien um Mittsommer herum und lexikalisches Wissen.

4.3 Explizite Präsentation kulturellen Wissens

Die interkulturellen accounts, die in den vorliegenden Daten durch explizite Präsentationen kulturellen Wissens realisiert werden, benennen die kulturelle Fremdverortung ausdrücklich und dienen als Mittel der Beziehungsarbeit. In dem folgenden Gesprächsausschnitt sprechen die beiden Interagierenden A und B in der vorliegenden Sequenz über einen Mitarbeiter, der gerade als Berufsanfänger in der Firma angefangen hat.

Datum 2:

[A: deutscher Erstsprachler, B: schwedischer Erstsprachler]

Die Sprecher B und A bearbeiten gegenwärtig das Thema der Leistungsfähigkeit eines kürzlich neu eingestiegenen Mitarbeiters, der im Vertrieb tätig ist. Bei der Beschreibung des Potenzials des Kollegen benutzt B das Idiom more MEAT on his leggs. Sprecher B determiniert seinen verwendeten Ausdruck rückbezüglich durch Lokaldeixis als schwedisches Idiom (cf. Zeile 279). Mit der Proform here und dem Kollektiv-Pronomen we schreibt sich B durch soziale Deixis eine andere Zugehörigkeit als A zu und betreibt somit othering. Durch eine Wir-Gruppen-Konstruktion wird A in dieser fokalen Situation als nicht-zugehörig aktiv ausgegrenzt und die Differenz der Zugehörigkeit zu Gruppen relevant gesetzt.

Durch Klarifikationsfragen in Zeile 280 und 284 in Kookkurrenz mit einem Modalitätswechsel wird die laufende Gesprächsaktivität unterbrochen und durch den statussuperioren Sprecher A ein Time Out [11] eröffnet. Anschließend konfirmieren beide gemeinsam durch ein simultanes Lachereignis das initiierte Time Out (cf. Zeile 281/282). Mit der zweiten Nachfrage in Zeile 284 expliziert Sprecher A den lokaldeiktischen Ausdruck here, mit dem B seine Wir-Gruppe abgegrenzt hat, mit der Benennung swedish. Er konstituiert einen interkulturellen account, in dem er die differente Zugehörigkeit, die er seinem Gesprächspartner zuschreibt, explizit benennt (SWEdish, Zeile 284).

Sprecher B stellt in seinem nachfolgenden Turn die erwartbare Übersetzung her (cf. Zeile 285). Die Orientierung an einem explizit schwedischen Ausdruck wird durch Sprecher Bs nachfolgende Explikation the swedish exPRESSion. (Zeile 291) noch einmal angezeigt. Sprecher B macht deutlich, dass die lexikalische Differenz, die er der Nicht-Zugehörigkeit zu seiner konstruierten Wir-Gruppe zuschreibt, für ihn in dieser Sequenz relevant ist.

Die Thematisierung lexikalischer Differenz und deren Bearbeitung durch Übersetzung in dem nachfolgenden Time Out zusammen mit einem Modalitätswechsel dienen hier primär der Beziehungsarbeit. Die Bedeutung des schwedischen Idioms wird hier nicht als relevant erachtet. Das Interesse des Gesprächsproduzenten A an einer schwedischen Übersetzung der verwendeten Redensart (Zeile 284) zeigt zum einen, dass er sich an dem Idiom meat on the leggs als an einem Idiom der schwedischen Sprache orientiert, das ihm in seiner Bedeutung nicht bekannt ist, zum anderen konstituiert er mit der Nachfrage eine beziehungsrelevante Handlung (cf. Poro 1999), die As Orientierung an einer interkulturellen Gesprächssituation anzeigt.

4.4 Implizite Antizipation differenten kulturellen Wissens

Das Auftreten von Beitragskonstruktionen mit einem kontextsensitiven Rezipientenzuschnitt, der Wissensunterschiede unterstellt, die auf die kulturelle Zugehörigkeit der/des Anderen zurückgeführt werden, ist eine lokale implizite Manifestation interkultureller Orientierung der Beteiligten in der fokalen Interaktionssituation. Nachgestellte Explikationen indizieren einen spezifischen Rezipientenzuschnitt "schwedisch" bzw. "deutsch". Diese Realisierungsform ist die am häufigsten auftretende Form der Sichtbarmachung interkultureller Orientierung.

Datum 3:

[A: deutscher Erstsprachler, B: schwedischer Erstsprachler]

In Datum 3, Zeile 220, referiert B auf den schwedischen Ort Gnosjö. Die tief fallende finale Tonhöhenbewegung markiert das Ende der fokalen Turnkonstruktionseinheit. In unmittelbarem Anschluss produziert A keine Rezeptions- oder. Ratifikationssignale. Nach einer Mikropause erweitert B seinen Turn, indem er den Namen der Provinz Småland, in der sich der Ort Gnosjö befindet, anfügt. Mit einem schnellen unmittelbaren Anschluss bringt Sprecher A eine Interjektion hervor, mit der er nun sein Verstehen artikuliert. Die propositionale Struktur deutet darauf hin, dass das recipient design Ergebnis interaktiver Zusammenarbeit ist, als die bloße Darstellung einer Tatsache.

Die angefügte Explikation in SMÅland nach einer Mikropause, die allerdings noch keine qualifizierte Leerstelle (slot) etabliert, ist hier Teil eines spezifischen Rezipientenzuschnitts und dient der prospektiven Verständnissicherung im Gespräch. Sprecher B antizipiert ein differentes Wissen seines Gegenübers bezüglich der schwedischen Topographie und bildet somit einen impliziten interkulturellen account. Er behebt prospektiv den angenommenen Wissensunterschied durch einen spezifischen expandierten Rezipientenzuschnitt ohne jegliche Dispräferenzmarkierungen (cf. Pomerantz 1984). In diesem Gesprächsauszug funktioniert der interkulturelle account auf der regionalkundlichen Ebene durch referenzielle Kontextualisierung. Es werden Wissensasymmetrien bezüglich der Kenntnisse der regionalen Topographie antizipiert und bearbeitet.

Das recipient design der beschriebenen Handlung ohne Dispräferenzmarkierungen, die die angefügte Provinzangabe als potenziell problematisch rahmen würden, impliziert, dass das jeweilige Gegenüber vor der Herstellung dieses spezifischen Adressatenzuschnitts als zugehörig zu einer anderen member-Kategorie (cf. Sacks 1995) wahrgenommen wurde, der ein differentes kulturelles Wissen zugeschrieben wird. Statusunterschiede, die hier ebenfalls Dispräferenzmarker erwartbar machen würden, spielen hier keine interaktionsstrukturierende Rolle. Mit dem Turndesign wird gleichzeitig erfasst, welche spezifischen Vorstellungen von Wissensunterschieden beim Gesprächspartner/bei der Gesprächspartnerin antizipiert werden. Somit ist eine Zuschreibung angenommener oder unterstellter kultureller Wissensdifferenzen bei Anderen zugleich Basis der kulturellen Selbstdefinition.

 

5 Resümee

Mit der Annahme, dass sprachliches Handeln konstitutiv für gesellschaftliche Wirklichkeit ist, fokussiert die konversationsanalytische Gesprächslinguistik in ihrer Forschung die situierten kommunikativen Praktiken, mit denen kulturelle Zugehörigkeit im Gespräch relevantgesetzt wird. Die Linguistik kann ermitteln, mit welchen sprachlichen und parasprachlichen Mitteln sich die Interagierenden anzeigen a) dass sie ihr Gegenüber als zugehörig zu einer anderen Kultur wahrnehmen und b) welche Annahmen/Projektionen über Kultur in den unterschiedlichen Settings dargestellt werden. Es wird deutlich, mit welchen sprachlichen Handlungen die Interagierenden kulturelle Wirklichkeit konstituieren.

Die Gesprächsteilnehmenden konstruieren Kultur als Teilnehmerkategorie im Sinne von Nationalkultur. Die soziale Kategorie (cf. Sacks 1992, Hausendorf 2000) wird lokal in Abhängigkeit von professionellem Setting und beruflichen Rollen mit spezifischen Zuschreibungen von Eigenschaften gefüllt und für die Gesprächsgestaltung genutzt. Es werden hier die sprachlichen Zugehörigkeiten "Schwedischsein" und "Deutschsein" in den interlingualen Gesprächen als kulturelle Kategorien entworfen und lokal mit Zuschreibungen gefüllt. Die Interagierenden zeigen somit ihr Kulturverständnis auf, indem sie deutlich machen, dass sprachliche Zugehörigkeit für sie ein Indikator für kulturelle Zugehörigkeit ist.

Die Selbst- und Fremdverortung zu einer kulturellen Gruppe wird durch implizite und explizite Präsentationen des eigenen kulturellen Wissens über die andere Kultur und vor allem über implizite Antizipationen von angenommenen kulturellen Wissensdifferenzen des/der Anderen über die eigene Kultur wahrnehmbar. Die unterschiedlichen Formen interkultureller accounts setzen die interkulturelle Orientierung der Beteiligten mit unterschiedlichem Explizitheitsgrad relevant, von expliziten Zuordnungen bis zu impliziten Manifestationen der Skepsis an geteiltem kulturellen Wissens. Die Reflexion und die Bearbeitung von Interkulturalität schlägt sich in den Handlungen der Beteiligten vor allem durch den kontextsensitiven Adressatenzuschnitt nieder.

Die interkulturellen accounts, die hier exemplarisch aus deutsch-schwedischen Wirtschaftsgesprächen vorgestellt wurden, betreffen vor allem angenommene Wissensunterschiede hinsichtlich Lexikologie und Realiawissen. Normen werden nicht als relevant angezeigt. Die interkulturellen accounts treffen damit keine Aussagen über "reale" kulturelle Unterschiede. Sie zeigen aber an, was in der fokalen Interaktion in dem professionellen Setting Wirtschaft als Kultur und als kulturell konstruiert wird: Realiawissen und sprachliche Unterschiede auf der Ebene des Lexikons.

Die empirische Belegbarkeit von Interkulturalität gerade auf diesen beiden Ebenen erscheint nicht zufällig. Die soziale Beziehungsarbeit über die Hochstufung kultureller Zugehörigkeit in einem wirtschaftlich-unternehmerischen Kontext kann als ausgesprochen leicht verfügbar bezeichnet werden. Kulturelle Zugehörigkeit erscheint hier als eine soziale Kategorie, die, im Vergleich zu anderen, verhältnismäßig leicht dargestellt werden kann, und problemlos zu thematisieren ist (etwa im Vergleich zu Gender oder Alter). Um es etwas polemisch zu formulieren: Was wäre für die kooperative Beziehungsarbeit in Wirtschaftgesprächen einfacher zu thematisieren bzw. hochzustufen als die nationale Kulturalität des Gegenübers anhand lexikalischer und regionalkundlicher Unterschiede?

Die Relevantsetzung kultureller Zugehörigkeit und die Herstellung von Interkulturalität sind in diesem unternehmerisch-wirtschaftlichen Kontext funktionale Verfahren im Interaktionsprozess und dienen als Ressource zur Beziehungsarbeit und Gesprächsgestaltung [12] . Manifestationen interkultureller Beteiligung treten unter anderem im Zusammenhang mit prospektiver Verständnissicherung, Konstruktion von Time Outs und Beziehungsarbeit auf.

Durch die Herstellung von Interkulturalität werden in vielen Episoden deutsch-schwedischer Wirtschaftsgespräche (cf. hier Datum 2) Vorstellungen über Signifika der anderen Kultur sichtbar und als Kultur hergestellt, die in dem vorliegenden Material vor allem positiv konnotiert sind. Das Hervorbringen eines positiv besetzten differenten Kulturverständnisses verweist auf die interaktionistische Funktion der Behandlung von Kultur (cf. Asmuß 2002). Die Manifestation und Bearbeitung von Interkulturalität dient in diesem unternehmerisch-wirtschaftlichen Kontext häufig der Pflege sozialer Beziehungen.

Die Manifestierung von Interkulturalität betont keine kulturelle Differenz, sondern dient den Interagierenden als Ressource zur Verständigungsarbeit und zur Gesprächsgestaltung. Mit Bezug auf eine interkulturelle Kommunikationssituation können Referenzausdrücke erklärt oder Klarifikationsfragen gestellt werden, die in einem intrakulturellen Setting mit erheblichem Gesichtsverlust verbunden wären. Die Konstituierung von Interkulturalität schafft den Interagierenden zusätzliche Möglichkeiten der Gesprächsgestaltung. Interessanterweise treten keine interkulturellen accounts im Zusammenhang mit Reparatursequenzen auf. Fehler oder Unangemessenheiten im Fremdsprachengebrauch werden hier nicht als relevant für den Verständigungsprozess markiert.

 

Anmerkungen

1 Mit der Bezeichnung interlingual werden im Folgenden Kommunikationsereignisse zwischen Agierenden mit unterschiedlichen Erstsprachen bezeichnet. [zurück]

2 Der Begriff der Zugehörigkeit geht zurück auf Hausendorf (2000) und bezeichnet die Mitgliedschaft in sozialen Gruppen. Zugehörigkeit wird als eine dynamische in und mit Kommunikation hervorgebrachte Größe verstanden, die vor allem durch Sprache hergestellt wird. Zugehörigkeit wird sowohl von anderen als auch von sich selbst wahrgenommen. [zurück]

3 So hat zum Beispiel die soziale Kategorie Frau je nach gesellschaftlichem oder historischem Kontext immer wieder eine ganz andere Bedeutung. Das gleiche gilt auch für nationale Kategorien wie Schwede/Schwedin bzw. Deutsche/r. Je nach Interaktionskontext werden diese Kategorien mit unterschiedlichen Zuschreibungen versehen. Kern (2000) hat zum Beispiel die kulturelle Sinngebung von Ost- und Westdeutsch unter dem Gesichtspunkt von Machtbeziehungen zwischen diesen Gruppen untersucht. [zurück]

4 Die Zuordnung des/der Andren zu einer Gruppe, die nicht zu einem "wir" gehört, wird innerhalb der Kulturanthroplologie auch als "othering" bezeichnet. Cf. Kotthoff (2002: 7); Fuchs/Berg (1993). [zurück]

5 Auch intralinguale Gespräche, d.h. Gespräche zwischen Interagierenden mit der gleichen Erstsprache, können durch die Gesprächsteilnehmenden als interkulturell konstruiert werden. Cf. zum Beispiel Kern 2000, Birkner 1999, Birkner/Kern 2000, Hausendorf 2000, Auer/Hausendorf 2000 zu Gesprächen zwischen Ost- und Westdeutschen. [zurück]

6 Die Interagierenden sind deutsche und schwedische Erstsprecher/innen. Die Interlingualität der Gespräche manifestiert sich durch den Gebrauch einer Zweitsprache mit Interferenzen und anderen Erscheinungsformen des Fremdsprachengebrauchs. [zurück]

7 Cf. Garfinkel (1967: 1): "[...] making activities whereby members produce and manage settings of organized everyday affairs are identical with members´ procedures for making those settings account-able." [zurück]

8 Der aus der ethnomethodologischen Terminologie stammende account-Begriff hat innerhalb der Konversationsanalyse zwei unterschiedliche Lesarten. Account im engeren Sinne, wie er von Scott/Lyman (1969) geprägt wurde, ist auf interaktionsreflexive Äußerungen zur Verdeutlichung vorangegangener abweichender Verhaltensweisen begrenzt. Accounts sind in diesem Sinne nachgestellte Erklärungen. Accounts im weiteren Sinne im Garfinkel´schen Sinne, wie von Bergmann (1974) für die Konversationsanalyse operationalisiert, umfassen sämtliche sprachliche Handlungen, mit denen die Interagierenden auf ihr fokales Verständnis des aktuellen Kontextes verweisen. [zurück]

9 Cf. zu diesem Konzept des kontextsensitiven Rezipientenzuschnitts Sacks/Schegloff/Jefferson 1974. [zurück]

10 Das englische Lexem "midsummer" steht für "Hochsommer". [zurück]

11 In längeren Arbeitsbesprechungen im unternehmerischen Kontext werden häufig Nebensequenzen eingeschoben, in denen die aktuelle Aktivität kurzzeitig ausgesetzt wird. Die Interaktionsmodalität wechselt häufig vom Ernsthaften zum Spaßigen, und es wird vor allem die Interaktionsbeziehung der Interagierenden bearbeitet. Solche Episoden werden innerhalb der Gesprächslinguistik als Time Outs bezeichnet.(Jefferson 1972: 314, Asmuß 2002: 137ff). [zurück]

12 Aufgrund der schmalen Materiallage können hier keine fundierten Aussagen über mögliche gattungsspezifische kommunikative Praktiken gemacht werden. [zurück]

 

Literaturangaben

Auer, Peter (1999): Sprachliche Interaktion. Eine Einführung anhand von 22 Klassikern. Tübingen.

Auer, Peter/Hausendorf, Heiko (eds.) (2000): Kommunikation in gesellschaftlichen Umbruchsituationen. Mikroanalytische Aspekte des sprachlichen und gesellschaftlichen Wandels in den Neuen Bundesländern. Tübingen.

Asmuß, Birte (2002): "Nationale Stereotype in internationalen Verhandlungen.". In: Becker-Mrotzek, Michael/Fiehler, Reinhard (eds.): Unternehmenskommunikation. Tübingen: 58-88.

Bergmann, Jörg R. (1974): Der Beitrag Harold Garfinkels zur Begründung des ethnomethodologischen Forschungsansatzes. Konstanz.

Birkner, Karin (1999): Bewerbungsgespräche mit Ost- und Westdeutschen. Eine kommunikative Gattung in Zeiten gesellschaftlichen Wandelns. Tübingen.

Birkner, Karin/Kern, Friederike (2000): "Impression Management in East and West German Job Interviews". In: Spencer, Oatey, H: (ed.): Culturally Speaking: Managing Relations in Talk across Cultures. London.

Brünner, Gisela (2000): Wirtschaftskommunikation. Linguistische Analyse ihrer mündlichen Formen. Tübingen.

Czyzewski, Marek et al. (eds.) (1995): Nationale Selbst- und Fremdbilder im Gespräch. Opladen.

Dausendschön, Gay/Krafft, Ulrich (1998): "Kulturelle Differenz als account". In: Apfelbaum, Birgit/Müller, Hermann (eds.): Fremde im Gespräch. Frankfurt/Main: .

Fuchs, Martin/Berg, Eberhard (1993): "Phänomenologie der Differenz. Reflexionsstufen ethnographischer Repräsentation". In: Fuchs, Martin/Berg, Eberhard (eds.): Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographischen Repräsentation. Frankfurt/Main: 11-109.

Garfinkel, Harold (1967): Studies in Ethnomethodology. Englewood Cliffs.

Günthner, Susanne (1999): "Zur Aktualisierung kultureller Differenzen in Alltagsgesprächen". In: Rieger et al. (eds.): Interkulturalität. Zwischen Inszenierung und Archiv. Tübingen: .

Günthner, Susanne/Luckmann, Thomas (1995): Asymmetries of knowledge in intercultural communication. Konstanz.

Hansen, Klaus P. (2000): Kultur- und Kulturwissenschaft. Eine Einführung. Frankfurt/Main.

Hausendorf, Heiko (2000): Zugehörigkeit durch Sprache. Eine linguistische Studie am Beispiel der deutschen Wiedervereinigung. Tübingen.

Jefferson, Gail (1972): "Side sequences". In: Sudnow, D. (ed.): Studies in Social Interaction. New York: .

Kern, Friederike (2000): Kulturen der Selbstdarstellung. Ost- und Westdeutsche in Bewerbungsgesprächen. Wiesbaden.

Kotthoff, Helga (ed.) (2002): Kultur(en) im Gespräch. Tübingen.

Lüger, Heinz-Helmut (ed.) (2001): Höflichkeitsstile. Frankfurt/Main.

Poro, Susanne (1999): Beziehungsrelevanz in der beruflichen Kommunikation. Frankfurt/Main.

Sacks, Harvey (1995): Lectures on Conversation. Oxford.

Sacks, Harvey/Schegloff, Emanuel A./Jefferson, Gail (1974): "A simplest systematics for the organization of turn-taking for conversation.". Language 50/4: .

Schmitt, Reinhold/Keim, Inken (1995): "Das Problem der subsumtionslogischen Konstitution von Interkulturalität". In: Czyzewski, Marek et al. (eds.): Nationale Selbst- und Fremdbilder im Gespräch. Opladen: .

Scott, Marvin B./Lyman, Stanford M. (1968): "Accounts". American Sociological Review, 33/1: 46-62.

Wolf, Ricarda (1998): "Wo findet das Interkulturelle statt? Konversationsanalytische Überlegungen am Beispiel einer polnisch-deutschen Titelsuche". In: Apfelbaum, Birgit/Müller, Hermann (eds.): Fremde im Gespräch. Frankfurt/Main: .


 Linguistik online 14, 2/03

ISSN