Linguistik online 8, 1/01

Deutsche Entlehnungen im Polnischen -
Geschichte, Sachbereiche, Reaktionen

Ryszard Lipczuk (Szczecin)



1 Ansichten zum Anteil deutscher Entlehnungen im polnischen Wortschatz

Im Jahre 1893 behauptete Gabriel Korbut, keine Sprache habe dem Polnischen so viele Lehnwörter gegeben wie das Deutsche. Dabei seien deutsche Entlehnungen - im Gegensatz zu Latinismen - meist völlig assimiliert, so dass sie von Polnisch Sprechenden nicht mehr als fremd empfunden würden (Korbut 1893). Im Jahre 1974 erschien ein Artikel des tschechischen Linguisten Jiri Damborsky, der das Auftreten von Germanismen in einem polnischen Wörterbuch (Skorupka et al., eds., 1969) untersuchte. Deutsche Entlehnungen nehmen in seiner Untersuchung zahlenmäßig erst die vierte Stelle hinter den lateinischen, französischen und griechischen ein.

Angeregt von Korbut und Damborsky führte der deutsche Polonist Ulrich Drechsel (1996) seine eigene Untersuchung des Anteils deutscher Entlehnungen im Polnischen durch. So fand er im Großwörterbuch Polnisch-Deutsch von Jan Piprek et al. 3419 (ca. 1,71 %) und in einem wissenschaftlich-technischen Wörterbuch 870 (ca. 0, 87%) deutsche Lehnwörter. Das Ergebnis ist also nicht umwerfend, allerdings gibt Drechsel zu, dass manche umstrittenen Wörter sowie Lehnübersetzungen außer Betracht blieben. Er kommt zu dem Schluss (1996: 49),

Dabei sei ihr Charakteristikum im heutigen Polnisch nicht die außergewöhnliche Quantität, sondern ihre beachtliche Gebrauchshäufigkeit, ihr alltagssprachlicher Charakter und ihr hoher Assimilationsgrad.

In einem kleinen Lexikon sprachwissenschaftlicher Termini (Skudrzykowa/Urban 2000: 41) wird die Zahl der Germanismen im jetzigen Polnisch auf ca. 4000 eingeschätzt. Zum Vergleich: für Latinismen wird die Zahl 10 000 (abgesehen vom Fachwortschatz) und für Gallizismen 3500 genannt.

Es scheint, dass derartige statistische Zusammenstellungen der wirklichen Rolle des deutschen Lehngutes im polnischen Wortschatz nicht ganz gerecht werden. Nicht alle deutschen Lehnwörter sind in einsprachigen polnischen Wörterbüchern als solche gekennzeichnet. Das gilt auch für das schon erwähnte Wörterbuch von Skorupka et al. (1969), wo etwa bei szynka (Schinken) die Angabe deutscher Herkunft fehlt. Viele Wörter deutscher Herkunft haben sich im Polnischen offenbar so fest eingebürgert, dass sie selbst von Wörterbuchautoren nicht mehr als fremd erkannt werden.


2 Zur Geschichte deutscher Einflüsse im Polnischen

2.1 Überblick über einige neuere Forschungen

Das Problem deutscher Spracheinflüsse auf das Polnische ist bis jetzt von verschiedenen Autoren, meist von polnischen und deutschen Linguisten, behandelt worden. Einen umfassenden Überblick über solche Forschungen aus dem 19. und 20. Jh. findet man bei Alicja Karszniewicz-Mazur (1988: 7ff.). Dieselbe Autorin äußert sich ausführlich zur Chronologie deutscher Entlehnungen im Polnischen. Als Hauptkriterium wendet sie die phonetische Substitution an, darüber hinaus berücksichtigt sie lexikographische Daten, den Assimilationsgrad sowie historische Fakten (ibd.: 262ff.). Bei der Darstellung der Rolle wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen bespricht sie die im 13. Jh. einsetzende sog. Ostkolonisation, in deren Folge neue Städte gegründet und in der Landwirtschaft neue Arbeitstechniken eingeführt wurden (ibd.: 16ff.). Gerade in dieser Zeit kamen ins Polnische viele deutsche Entlehnungen.. Andererseits aber erwähnt sie auch die zweite Siedlungswelle, und zwar im 17. Jh., als besonders in Großpolen und Kleinpolen von deutschen Ansiedlern neue Dörfer gegründet wurden. Dagegen hatten - so Karszniewicz-Mazur - die späteren Siedlungsaktionen (18.-19. Jh.) schon eroberischen Charakter mit einer negativen Auswirkung auf die polnische Wirtschaft (ibd.: 19).

Bei der historischen Einteilung der Germanismen geht sie von der Periodisierung der deutschen Sprache aus - so werden nacheinander Entlehnungen aus dem Althochdeutschen, Mittelhochdeutschen und Neuhochdeutschen besprochen. Nicht übersehen werden von der Breslauer Germanistin auch Entlehnungen aus dem Mittelniederdeutschen und Neuniederdeutschen - die meisten betreffen das Seewesen, z.B. bosman, bursztyn, fracht, kajuta, sztorm (ibd.: 121f., 211ff.).

Die Autorin weist auf tschechische Vermittlung mancher Germanismen im Polnischen hin, z.B. bei kuchnia (Küche), malzonka (Ehefrau), zegnac (verabschieden) und papiez (Papst) - wobei wir das letztgenannte Wort in Anlehnung an andere Autoren doch als eine direkte Entlehnung aus dem Deutschen betrachten wollen. Als deutsche Entlehnungen betrachtet sie auch solche Wörter, die letztendlich auf das Lateinische zurückgehen, wie: autorytet, fakultet, immunitet, uniwersytet (ibd.: 123 ff). Entscheidend sei die formale Ähnlichkeit der Suffixe, z.B.: dt. -(i)tät, poln. -(y)tet.

In einem Beitrag aus dem Jahre 1989 äußern sich zwei polnische Autorinnen, die Germanistin Aleksandra Czechowska-Blachiewicz und die Polonistin Grazyna Habrajska, über Entlehnungen in der Sprache des Gebietes von Lodz, besonders im Wortschatz der Textilindustrie. Diese zur Zeit zweitgrößte polnische Stadt wurde im 18. und 19. Jh. sowohl von Polen als auch von Deutschen und Juden bewohnt. Eine große Menge von Entlehnungen verdankt die Sprache der Einwohner von Lodz schlesischen und schwäbischen Zuwanderern. Über die Hälfte der heute in Lodz im gesprochenen Polnisch verwendeten Germanismen seien dieselben wie im Wortschatz der Allgemeinsprache, z.B. bejca, renta, tapeta (1989: 89ff.). Daneben gebe es Wörter, die auch in anderen Mundarten aufträten. Bei manchen deutschen Lehnwörtern sei jiddische Vermittlung wahrscheinlich, z.B. bei brew (Augenbraue), brud (Schmutz), klosz (glockenförmiger Frauenrock, ibd.: 91). Die ältesten Entlehnungen stammten schon aus dem 3./4. Jh., als die Germanen mit den Slawen in Berührung kamen. Bei der Verbreitung deutscher Lehnwörter hätten deutsche Dialekte eine große Rolle gespielt, so im Mittelalter vor allem das Schlesische. Im 17. - 19. Jahrhundert hätten sich in Polen zudem viele deutsche, besonders rheinpfälzische, westböhmische, niederdeutsche und schwäbische Dialektinseln gebildet (ibd.: 86).

Der deutsche Polonist Andrzej de Vincenz (1992) macht auf die Rolle des historisch-kulturellen Hintergrunds aufmerksam. Den geringen Einfluss des Polnischen auf das Deutsche einerseits und den großen Einfluss des Deutschen auf das Polnische andererseits erklärt de Vincenz (1992: 121) damit,

Eine wichtige Zäsur in den deutsch-polnischen Sprachkontakten bildete nach de Vincenz die Annahme des Christentums durch den ersten polnischen Herzog Mieszko I. im Jahre 966. Die Missionare, die in Begleitung von dessen Ehefrau Dubrawa aus Prag kamen, um in Polen die christliche Lehre zu verbreiten, gehörten - wie ganz Böhmen - zur Diözese Regensburg. Sie waren es, die dem Polnischen neuen Wortschatz vermittelten, seien es nun Wortentlehnungen aus dem Deutschen wie papiez (Papst), post (Fasten) oder genaue Nachbildungen deutscher Ausdrücke (Lehnübersetzungen), die ihrerseits Übersetzungen von lateinischen Ausdrücken sind, z. B. milosierdzie (Barmherzigkeit) oder meczennik (Märtyrer). Durch Vermittlung des Deutschen bzw. auch des Tschechischen habe das Polnische auch bestimmte auf das Lateinische zurückgehende semantische Strukturen oder Begriffsfelder bzw. "Weltbilder" übernommen (ibd.: 115).

Im 13. Jahrhundert, in der Zeit der deutschen Ostsiedlung, entstanden in Polen richtige Städte (civitates) "mit geschriebenen Gesetzen, gewählten Stadtbehörden und einem ebenfalls gewählten Bürgermeister" (ibd.: 116). Sie übernehmen das deutsche Recht, in Polen meist Magdeburger Recht genannt. Die gesamte Stadtorganisation samt Architektur kam zuerst aus Frankreich und Italien nach Deutschland und dann über deutsche Ansiedler nach Polen. Entsprechende Entlehnungen sind z.B. burmistrz (Bürgermeister) oder gmina (Gemeinde; ibd.).

Mit der Geschichte deutscher Entlehnungen im Polnischen befasst sich auch Ulrich Drechsel (1996). Die ältesten Entlehnungen - meist religiöse Termini - seien überwiegend lateinischer Provenienz und kamen teils durch deutsche, teils durch tschechische Vermittlung ins Polnische, z.B. kosciol (Kirche) < tschech. kostel < ahd. kastel < lat. castellum (ibd.: 43). Den Höhepunkt deutscher Einflüsse datiert Drechsel auf die Zeit zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert. Er betrachtet sie als Folge des Zustroms deutscher Kolonisten wie Kaufleute und Handwerker, die die Gestaltung des Rechts in den Städten beeinflussten. Die Aufnahme des deutschen Lehngutes sei übrigens fast ausschließlich auf mündlichem Wege erfolgt (ibd.: 44). In der mittelpolnischen Periode (1500 - 1780) ging nach Drechsel die Aufnahmebereitschaft des polnischen Wortschatzes für deutsche Lehnwörter zurück.. Ursachen hierfür seien die teilweise Polonisierung der deutschen Kolonisten sowie der starke Einfluss des Lateinischen. Auch in dieser Zeit betrifft der deutsche Einfluss in erster Linie den Berufsalltag (ibd.: 45). In der Zeit von 1795 bis 1918, als Polen infolge der Teilungen von der politischen Karte Europas verschwunden war, kam es in den von Preußen und Österreich annektierten Gebieten erneut zu verstärkten deutschen Spracheinflüssen, die durch das Schulwesen, die Behörden, das Militär und durch Druckerzeugnisse verbreitet wurden. Ab 1887 wurde das Polnische an den Volksschulen und ab 1890 auch an Gymnasien und Realschulen durch das Deutsche ersetzt. So wurden im häuslich-privaten Bereich Germanismen wie ancajgowac (anzeigen), anunk (Begriff < Ahnung) oder ferlezowac (verlesen, vorlesen) verwendet (ibd.: 45). Ins Polnische drangen Lehnübersetzungen wie czasopismo (Zeitschrift) oder swiatopoglad (Weltanschauung) ein.

Auch in der polnischen Wortbildung und in der Grammatik zeigten sich deutsche Einflüsse, vgl. die für das Polnische untypische Stellung der Konjunktion ale, etwa in (ibd.: 46):

Syn ale nie przyszedl.
('Der Sohn aber kam nicht', statt: Ale syn nie przyszedl.)

Drechsel nennt ferner einige Beispiele für deutschen Einfluss auf den Warschauer Stadtdialekt, z.B. (ibd.):

W blaumontag nie chodze nigdy do warsztatu.
(Am blauen Montag gehe ich nie in die Werkstatt).

Infolge der puristischen Tätigkeit habe sich die Zahl der Germanismen nach dem 1. Weltkrieg dann deutlich verringert, und Ausdrücke aus dem 2. Weltkrieg wie kennkarta oder gestapo finde man heute fast nur noch in literarischen Werken (ibd.: 47).

Mit der Chronologie der deutschen Lehnwörter im Polnischen befasst sich der polnische Germanist Tomasz Czarnecki. Für die Bestimmung der Chronologie nennt er drei Arten von Kriterien (Czarnecki im Druck, a):

  1. sprachliche Kriterien, bes. phonetisch-phonologische und morphologische Merkmale;
  2. historisch-kulturelle Kriterien, d. h. historische und kulturelle Faktoren, die mit dem Entlehnungsprozess einzelner Wörter zusammenhängen;
  3. philologisch-chronologische Kriterien, unter Berücksichtigung der jeweiligen Erstbelege in polnischen Texten sowie die Erstbuchungen in polnischen Wörterbüchern.

Die Geschichte der deutsch-polnischen Lehnkontakte kann man nach Czarnecki insgesamt in drei Perioden einteilen: die älteste (bis ca. 1050), die mittelalterliche (1050 - 1600) und die neuzeitliche (1600 - 2000). Für die erste Periode, die in die Vorgeschichte der polnischen Sprache fällt (Letztere wird oft auf die Zeit vor 1136 datiert - auf dieses Jahr wird die Entstehung des wichtigen Sprachdenkmals für das Polnische: "Bulla gnieznienska" datiert), seien knapp 240 deutsche Lehnwörter feststellbar, darunter über 180 'indirekte' Lehnwörter, d.h. solche Wörter, die aus dem Deutschen bzw. Germanischen durch Vermittlung anderer Sprachen gekommen sind (Czarnecki im Druck, b). Unter Letzteren nennt Czarnecki 62 sog. kulturelle Wanderwörter, die in den meisten slawischen Sprachen aufträten und deren Vermittlungsweg nicht direkt zu rekonstruieren sei, z.B. beczka < ahd. *buttia, chwila < ahd./as. hwila, ksiadz < ahd. kuning, kupowac < kaufon, pieniadz < ahd. pfenning. Daneben seien Entlehnungen erkennbar, die damals unter Vermittlung des Tschechischen bzw. anderer slawischer Sprachen ins Polnische gekommen seien, z.B. biskup < ahd. biskouf, chrzest < ahd. christ, mnich < ahd. munih, szkoda < ahd. scado, mlyn < ahd. mulin, dziekowac < ahd. dankon, kosciol < ahd. kastel, msza < ahd. missa, oltarz < ahd. altari, szatan < ahd. satan. Als 'direkte' Entlehnungen nennt Czarnecki (im Druck, b) etwa los (Elch), skarb (Schatz) und stal (Stahl). Will man die von Czarnecki als Wanderwörter bezeichneten Entlehnungen ebenfalls als Germanismen betrachten, was ja durchaus möglich erscheint, so kommt man auf 120 Wörter, die aus dem Deutschen bzw. Germanischen ins Vorpolnische gekommen sind.

In der zweiten Periode (1050 1600) wurden laut Czarnecki ca. 2000 deutsche Lehnwörter übernommen, meist direkte Entlehnungen, die als Folge direkten deutsch-polnischen Sprachkontakts in der Zeit der sog. Ostsiedlung anzusehen sind. Besonders ostmitteldeutsch-schlesische, oberdeutsche und niederdeutsche Dialekte, nach 1450 auch das entstehende Neuhochdeutsche beeinflussten das Polnische in dieser Epoche. Hier einige Beispiele mit Czarneckis Datierungsvorschlägen:

Die größte Zahl von Entlehnungen brachte Czarnecki zufolge die dritte und jüngste Epoche (1600 - 2000), u. zw. mehr als 8000. Er nennt für diese Zeit (allerdings ohne nähere zeitliche Differenzierung) u.a. folgende Beispiele:

Zu den neuesten Entlehnungen aus dem Deutschen gehören die von Czarnecki angeführten Wörter autohaus, autohandel und InterCity. Viele Germanismen seien nur in Dialekten und nicht in der Standardsprache vorzufinden. Czarnecki hebt hervor, dass die Wörterbücher des Polnischen bis heute "nicht alle möglichen deutschen Lehnwörter registriert" hätten und in der Hinsicht "weitere Untersuchungen notwendig" seien (2000a: 8). Andererseits gibt er zu, dass viele Lehnwörter ohnehin nur einen ephemerischen Charakter gehabt hätten und besonders nach 1918, also mit der Wiedergeburt Polens, aus dem Gebrauch gekommen seien.

Für die Datierung der einzelnen Entlehnungen in der dritten Periode sei besonders das philologische Kriterium maßgebend. Im 17. Jh. kamen nach Czarneckis Meinung nur wenige deutsche Entlehnungen ins Polnische, im 18. Jh. dagegen wieder mehr. Noch größer sei die Zahl der Entlehnungen zwischen 1800 und 1918 gewesen, als Polen unter den drei Großmächten Preußen, Österreich und Russland aufgeteilt war. Auch nach 1990 seien in Polen wieder etwas mehr deutsche Lehnwörter in die umgangssprachlich gefärbte Standardsprache übernommen worden.

Czarnecki äußert sich auch zu polnischen Entlehnungen im Deutschen. So seien in der Zeit von 1000 bis 1500 aus dem Polnischen 25 Lehnwörter (meist sog. Fernentlehnungen) ins Deutsche übernommen worden. Als sichere Polonismen nennt er Grenze (13. Jh.), polnisch (11. Jh.), Säbel (15. Jh.) und Gurke (15. Jh.) (2000b).

Mit deutschen Entlehnungen im 19. Jahrhundert beschäftigt sich der polnische Linguist Boguslaw Nowowiejski (1996). Während es bereits mehrere Arbeiten zu Entlehnungen in der alt- und mittelpolnischen Periode gebe, sei das 19. Jahrhundert bisher nur wenig erforscht worden (ibd.: 16f.). Gerade für diese Zeit sei eine sehr große Anzahl von Germanismen charakteristisch, besonders in der Amtssprache, die im 20. Jahrhundert meist aber wieder durch einheimische Ausdrücke ersetzt worden seien. Gründe für diese Erscheinung sieht Nowowiejski in der allgemeinen Abneigung gegenüber der aufgezwungenen Germanisierung im preußischen und zum Teil auch im österreichischen Teilungsgebiet sowie in der puristischen Tätigkeit um die Jahrhundertwende und in den ersten Jahrzehnten danach. Zahlreiche sprachpflegerisch orientierte Publikationen (z.B. Blizinski 1888, Passendorfer 1909, Letowski 1915) hätten sich sehr massiv gegen die vorhandenen Germanismen gewandt, die als Kennzeichen der Unterdrückung gegolten hätten (Nowowiejski 1996: 207f f.).

Aufgrund einer Auswertung der damaligen Presse stellt Nowowiejski eine ausführliche Liste deutscher Entlehnungen aus dem 19. Jahrhundert zusammen (ibd.: 256ff.). Unter (I) werden hier Beispiele für Entlehnungen genannt, die im heutigen Standardpolnisch immer noch gebraucht werden (wenn auch viele von ihnen als umgangssprachlich einzustufen sind); unter (II) finden sich ausgewählte Beispiele für Entlehnungen, die im heutigen Standardpolnisch nicht mehr verwendet werden (wenn auch viele von ihnen weiterhin in polnischen Dialekten vorkommen):

(I) buchalter, feldmarszalek, geszeft, heca, hantle, knajpa, landszafta, meldowac, mufa, pudel, szpicel, szwarcowac, szwejsowac, szyber, zecer
(II) abreibung, abszlus, amt, amtman, ausbruch, bajrat, bakenbardy, banhof, berycht, bonerowanie, brener, bryftregier, fakelcug, ferklejdunk, festunek, forszlag, forszus, fortszrytler, frejowy (bezplatny = kostenlos), heklowac, kaisersznit, knakwurszt, krejs, kuczer, landrat, landwera, liwerant, opernhauz, pakkamer, pocztamt, pulwersak, rajsbret, ranglista, raps, szlips, szprechowac, szryft, szuwaks, trejbhauz, traktier, trephauz

Es ist schon erstaunlich, welch eine große Menge von Germanismen aus dem Polnischen inzwischen wieder verschwunden ist.

2.2 Zusammenfassendes zur Geschichte deutscher Entlehnungen im Polnischen

In der Vorgeschichte der polnischen Sprache (etwa bis 1150) sowie in der altpolnischen Zeit wurde ins Polnische in großem Maße religiöser Wortschatz übernommen, zum Teil durch Vermittlung des Tschechischen. Dies hängt mit der Annahme des Christentums durch Polen im Jahre 966 zusammen. Hier spielte die tschechische Ehefrau des polnischen Herzogs eine wichtige Rolle. Auch manche alltagssprachlichen Ausdrücke sind in dieser Zeit entlehnt worden.

Der nächste wichtige Faktor war (ca. im 13. - 14. Jh.) die sog. deutsche Ostsiedlung, als deutsche Handwerker, Kaufleute, Bauern nach Polen kamen und zu dessen wirtschaftlicher Entwicklung beitrugen. Auch die Stadtverwaltung wurde nach deutschem Vorbild gestaltet. Die Zuwanderer kamen meistens aus mitteldeutschen Gebieten nach Schlesien und zogen weiter ostwärts nach Krakau und Lemberg sowie in andere Regionen. Erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts erlosch der Siedlungsprozess und in die polnischen Städte begann der polnische Adel einzudringen. Eingeführt wurde jetzt eine einheitliche polnische Rechtssprechung, und das Appellationsgericht wurde von Magdeburg nach Krakau verlegt. Der in dieser Zeit durch Nahkontakt entlehnte Wortschatz betrifft solche Bereiche wie Handwerk, Handel oder das Alltagsleben. Gerade diese Entlehnungen haben sich bis heute erhalten und gehören zum Zentrum der polnischen Lexik. Sie sind völlig assimiliert und ihre fremde Herkunft ist oft nicht mehr erkennbar (z.B. bei szafa und waga).

Dagegen spielen die zahlreichen in der Teilungszeit (besonders im 19. Jahrhundert) entlehnten Germanismen nur eine eher marginale Rolle im heutigen Polnisch. Viele von ihnen sind als umgangssprachlich einzustufen (z.B. fajny, frajda). Kaum eine Rolle spielen heute deutsche Entlehnungen aus der Zeit des 2. Weltkrieges. Zu den neuesten deutschen Entlehnungen, die erst in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts ins Polnische kamen, gehören mehrere Ausdrücke aus der Autobranche, neben dem oben erwähnten autohaus z.B. auch kombi, szrot oder szyberdach.

Charakteristisch für die deutschen Einflüsse auf das Polnische insgesamt sind die zahlreichen Lehnübersetzungen, z.B. czasokres (Zeitabschnitt), korkociag (Korkenzieher), listonosz (Briefträger), miarodajnie (maßgebend), odszkodowanie (Entschädigung), parowoz (Dampfwagen), swiatopoglad (Weltanschauung). Darunter befinden sich auch Lehnwendungen wie rozumiec cos pod czyms (etwas unter etwas verstehen), od przypadku do przypadku (von Fall zu Fall) und nie byc w stanie... (nicht im Stande sein, ...) oder Tu lezy pies pogrzebany (Hier liegt der Hund begraben).


3 Sachbereiche der Entlehnungen

3.1 Übersicht

Folgenden Sachbereichen lassen sich deutsche Entlehnungen im Polnischen ungefähr zuordnen (ich nenne jeweils nur einige Beispiele, wobei solche Wörter bevorzugt werden, die im jetzigen Deutschen keine formalen Pendants haben):

Es ist ersichtlich, dass in manchen Fällen deutsche Entlehnungen keine analogen Formen im heutigen Deutsch haben. So geht das polnische fartuch (Schürze) auf das mhd. vortuoch (vgl. Karszniewicz-Mazur 1988: 54), soltys (Bürgermeister) auf das mhd. schuldheize (scholtheize) (ibd.: 101), szafa (Schrank) auf das oberdeutsche schaff (16.Jh.) (ibd.: 189) und zegar (Uhr) auf das mhd. seiger (Turmuhr)(ibd.: 118) zurück. Nicht aufgenommen haben wir etwa lancuch (Kette, mhd. *lannzug "Schmuckkette") oder ponczocha (Strumpf, mhd. buntschuoch), die möglicherweise durch tschechische Vermittlung gekommen sind (vgl. Karszniewicz-Mazur 1988: 85, 93).

3.2 Zur Sportlexik

Als ich für eine frühere Arbeit (Lipczuk 1999b) 847 Lexeme aus der standardnahen Schicht des polnischen Sportwortschatzes untersuchte, stellte ich unter ihnen 73 Entlehnungen aus der deutschen Sprache fest. Damit liegen deutsche Entlehnungen auf Rang vier, deutlich hinter Latinismen (307), englischen (182) und französischen (180) Entlehnungen. Kennzeichnend für deutsche Lehnwörter aus unserem Material ist der hohe Anteil umgangssprachlicher Ausdrücke, z.B. fory (Vorgabe, Vorteil), fuks (Glück, Glücksfall), klapa (schwere Niederlage), kiks (Fehlstoß, fehlerhafter Ballstoß, verfehlter Stoß), kiksowac (einen Fehlstoß/Fehlschuss ausführen), klapa (Pleite, Misserfolg, klare Niederlage), koks (Dopingmittel), koksowac sie (Doping einnehmen, sich dopen), murowac (den Zugang zum eigenen Tor durch eine Verteidigungsmauer verstellen), pudlo1 (Fehlschuss), pudlo2 (Podest, Podium), pudlowac (verfehlen, am Tor vorbeischießen), szpica, szpurtowac, srubowac und windowac (sie) ((sich) steigern).

Es ist leicht zu bemerken, dass manche der Sportgermanismen auf andere Quellensprachen zurückgehen. Deutsch war eine Vermittlersprache bei solchen Entlehnungen aus dem Französischen wie blokada, flanka, grupa, kabina, maszyna, oferta, plac, roszada, runda, sruba (Schraube), tarcza (Schießscheibe), trasa (Strecke, Piste), turniej, zgrupowanie (Camp, Trainingslager), aus dem Lateinischen bei filar (Stütze, starker Spieler in einer Mannschaft), mur (Mauer), operowac, para (Paar), pech, pechowiec (Pechvogel), pechowy/pechowo (Adj.) (Pech-, mit Pech), proba, tafla (Eisfläche), aus dem Italienischen bei inkasowac (kassieren), protest, spacerek (leichtes Spiel), szpagat, sztafeta (in Lipczuk 1999b: 158 wird sztafeta - wohl unrichtig - als eine italienische Entlehnung betrachtet), aus dem Englischen: szpurt, szpurtowac, und aus dem Jidischen: plajta.. Auf das Niederländische gehen Flagge und kapern zurück - durch das Deutsche vermittelt wurden: flaga und kaperowac (einen Spieler mit unsauberen Mitteln anwerben, locken). Dabei ist der deutsche Ursprung nicht immer eindeutig: So geht wahrscheinlich das Wort barwa (barwy) (Farbe) auf das Althochdeutsche zurück, kam ins Polnische aber möglicherweise durch Vermittlung des Tschechischen.

Zu den deutschen Entlehnungen im Sportbereich (im weiten Sinne) gehören ferner: banda, blok, cel (Ziel), celny/celnie (treffsicher), celowac (zielen), centra (Vorlage), fajerwerk (glänzende Szenen, eine große Menge spektakulärer Aktionen; Feuerwerk), hala, kibic (Sportfan, Sportanhänger, Kiebitz), kibicowac (Fan einer Mannschaft, eines Sportlers sein; anspornen, anfeuern), kregle (Kegelsport), kunszt (Kunst, Meisterschaft), los/losowac, majstersztyk (Meisterstück), maruder (einer der Letztplatzierten in einem Rennen o. ä.; Schlendrian), meldunek, meldowac (sie), ratowac, strefa (Zone), szlagier, sztanga (Hantel), szturm, szturmowac, tuz (As, Crack, hervorragender Sportler), waga (Gewichtsklasse, Gewicht), wunderteam (dt. + engl.) und zeglarstwo (Segelsport). Nicht zu vergessen sind ferner Lehnübersetzungen wie wieloboj (Mehrkampf), przedskoczek (Vorspringer) oder miedzybiegi (Zwischenläufe) (siehe dazu Ozdzynski 1970: 58f.).

Der polnische Sportwortschatz wird in der Forschungsliteratur nur selten als Beispiel für deutsche Einflüsse erwähnt. Aus unseren knappen Bemerkungen geht aber hervor, dass auch hier - neben den gewöhnlich angeführten Bereichen wie Handel oder Handwerk - eine beträchtliche Zahl von Germanismen Eingang gefunden hat.


4 Zur Einstellung gegenüber deutschen Entlehnungen in Polen

4.1 Die alt- und mittelpolnische Sprachperiode

Bereits in der altpolnischen Zeit ist Widerstand gegen deutsche Einflüsse zu bemerken. So verordneten gegen Ende des 13. Jahrhunderts Erzbischof Jakub Swinka und die Lentschitzer Synode (Synod Leczycki), dass nur Personen, die der polnischen Sprache mächtig seien, zum Direktor einer Kirchen- und Klosterschule ernannt werden könnten und dass in polnischen Kirchen die deutsche Sprache durch die polnische zu ersetzen sei. 1537 wurden in der Krakauer Marienkirche Messen in polnischer Sprache eingeführt, wodurch der damals geläufige Ausdruck siedziec jak na niemieckim kazaniu ('wie in einer deutschen Predigt dasitzen', d.h. nicht verstehen, worüber gesprochen wird; nach Rybicka 1976: 9) an Aktualität verlor. Die große Rolle der deutschen Sprache in Polen und ihr Einfluss auf das Polnische blieb trotzdem bestehen. Deutsche Lehrer, Drucker und Ärzte kamen in die polnischen Städte, und die Kenntnis der deutschen Sprache war nach wie vor verbreitet: Das Bürgertum brauchte die deutsche Sprache, um Handel zu treiben, und die Adligen brauchten sie, um ihre Söhne an deutschen Universitäten ausbilden zu lassen.

4.2 Reaktionen auf deutsche (und andere) Entlehnungen im 19. und 20. Jh.

Kritische Stimmen gegen deutsche Entlehnungen sind in Polen auch im 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jhs. zu vernehmen. In seiner Abhandlung über die Verunreinigung der polnischen Sprache wendet sich F. K. Skobel (1872) gegen Lehnübersetzungen aus dem Deutschen wie stawiac pytanie (von: eine Frage stellen), czynie pana uwaznym (ich mache Sie aufmerksam...) oder wypisac konkurs (einen Wettbewerb ausschreiben). Auch der Grammatiker und Lexikograph A. A. Krynski (1921) nennt mehrere Beispiele für - nach seiner Meinung - unerwünschte Wortentlehnungen wie fungowac, radirowac, aber auch für die Beeinflussung der polnischen Syntax, z.B. in Ausdrücken wie szukac za czyms, brakuje ksiazka (Rektion) und profesor naturalnej historii (statt: profesor historii naturalnej). Er wendet sich gegen zahlreiche Lehnübersetzungen wie: przedlozyc (nach: vorlegen) und pokrywac sie (sich decken, statt: zgadzac sie, odpowiadac). Krynski meint, dass die älteren Germanismen das Polnische zwar durchaus bereichert hätten, aber die neueren, die infolge der Germanisierungspolitik übernommen wurden, entschieden zu bekämpfen seien (ibd.: 3f.). Viel Aufmerksamkeit widmeten Wörtern fremder Herkunft die sprachpflegerisch orientierte Zeitschrift Poradnik Jezykowy (gegründet 1901) und die seit 1913 wirkende linguistische Zeitschrift Jezyk Polski.

Im Allgemeinen haben wir es hier aber mit eher gemäßigten Stellungnahmen zu tun: Bestimmte Fremdwörter werden getadelt, die anderen werden in Schutz genommen. Im Poradnik Jezykowy (1903, 4: 66) lesen wir, dass niemand für einen übertriebenen Purismus sei und alle Fremdwörter durch heimische Ausdrücke ersetzen wolle. Besonders solche Lehnwörter, die sich im Polnischen eingebürgert hätten und allgemein geläufig seien, sollten geschont werden. Mit aller Strenge solle man aber jenes "Ungeziefer" ("robactwo") bekämpfen, das die gegenseitige Verständigung zerstöre. Jozef Peszke spricht sich in Poradnik Jezykowy (1905, 8: 112ff.) gegen zu häufigen Gebrauch von Fremdwörtern aus, äußert andererseits aber die Meinung, dass Wörter wie karta, tablica, talerz, teatr, lekarz, maszyna, papier behalten werden sollten. Bei der Suche nach polnischen Ersatzwörtern seien der alte Wortschatz, die Volkssprache und erst an letzter Stelle die Bildung neuer Wörter auszunutzen. Ähnlich äußert sich Jan Los in Jezyk Polski (1913, 10: 293): "Trzeba sie trzymac dawnej ogolnej zasady: nie wpadac w przesade ani na jedna, ani na druga strone." ("Man soll sich an den alten Grundsatz halten, weder in der einen noch in der anderen Richtung zu übertreiben."; Übers.: R.L.)

In seiner Abhandlung Walka o jezyk ("Der Kampf um die Sprache", 1917) verteidigt Aleksander Brückner, einer der größten Gelehrten jener Zeit, die Muttersprache als Kennzeichen einer Nation. In Polen sorge man für die Reinheit der Sprache nicht; deshalb seien übermäßig viele Fremdwörter eingedrungen. Diese Verunreinigung durch Fremdwörter sei dem Polnischen und dem Deutschen gemeinsam (ibd.:12):

Brückner fügt hinzu, dass die Deutschen und Tschechen die Gefahr jedoch rechtzeitig erkannt hätten, während man sich in Polen weiterhin diesem "obszönen Laster" ("sprosnemu nalogowi", ibd.: 18, Übers.: R.L.) ergebe. Trotz dieser entschiedenen Einstellung gegen Fremdwörter wendet er sich gegen übertriebene Polonisierung von Lehnwörtern wie lampa,, szafa, papier, telefon oder telegraf. Er sieht auch keinen Grund, fremde Eigennamen zu verpolnischen (und etwa Monachium zu sagen statt München). Als Methode der Polonisierung empfiehlt er die Verwendung alter polnischer Wörter, dialektaler Ausdrücke und schließlich die Bildung von Neologismen (ibd.: 43). Die im Polnischen vorhandenen Lehnübersetzungen wie parostatek (Dampfschiff) oder listonosz (Briefträger) nennt er "Deutsche in polnischer Kleidung" ("Niemcy w polskiej szacie").

4.3 Polonisierungswörterbücher

In einem der (von Spezialwörterbüchern abgesehen) wenigen Polonisierungswörterbücher nennt Eugeniusz S. Kortowicz (1891) eine Reihe von Germanismen, die er durch einheimische Wörter ersetzen möchte. Dazu gehören heute nicht mehr gebräuchliche Germanismen wie bacha (Ersatzwörter: strumyk, potok, ruczaj), felowac (brakowac), festunek (twierdza), kunstwerk (dzielo, utwor sztuki, dzielo sztuczne), landkarta (krajorys), liwerowac (dostarczac), raps (rzepak), szlaga (palka), szafner (urzednik kolejowy), szalter (okno, okienko), szlichtada (sannojazda), sznaps (wodka, gorzalka), sznara (grzechotka, kolatka), sznupa (pysk) und szternwarta (gwiazdopatrznia), aber auch heute immer noch gebräuchliche wie cyrkiel (krazydlo), fartuch (zapaska), hak (kruk, kruczek usw., zaczepnik), kartofel (ziemniak, perka), landszaft (krajobraz), taniec (plas, plasy), zupa (rosol) sowie szminka, szorowac, szpital, szrama, sztaba, szyld und viele andere. Man sieht, dass sich Kortowicz bemüht, selbst eingebürgerte Lehnwörter wie zupa oder hak zu ersetzen. Von seinen Polonisierungen haben sich einige bis heute erhalten, z.B. strumyk, brakowac, twierdza, dzielo, ziemniak, dostarczac, rzepak, okienko, pysk. In Kortowicz' Wörterbuch finden sich auch viele Germanismen, die im heutigen Polnisch als umgangssprachlich bzw. dialektal gelten, z.B. pucowac, rychtyk, szparowac und szyndowac.

Als Grund für seine Polonisierungsbemühungen nennt Kortowicz seine Sorge um die Reinheit der polnischen Sprache. Bei Ausländern entstehe der Eindruck, dass das Polnische unterentwickelt sei, während es doch über einen reichen Wortschatz verfüge, der für einfache Menschen verständlicher als Fremdwörter sei. Dies will er mit seinem Wörterbuch beweisen, in dem für immerhin 10.000 Fremdwörter ca. 50.000 polnische Ausdrücke angeführt werden (ibd.: V f.). Den Gebrauch der Fremdwörter betrachtet er als eine nationale Sünde, die zum Untergang der nationalen Identität führen könne. Kortowicz, selbst ein einfacher Beamter aus Pluskowesy bei Chelmza (Kulmsee), richtet sein Wörterbuch an weniger gebildete Leute und will es auch als einen Beitrag zur Stärkung des nationalen Bewusstseins verstanden wissen: "A nie majac ziemi i mowy polskiej, nie ma Polski i Polakow." ("Und wenn man kein polnisches Land und keine polnische Sprache hat, so gibt es kein Polen und keine Polen.", ibd.: VII. - Übers.: R.L.)

Deutlich nationalistische Züge weist das Wörterbuch von Wladyslaw Niedzwiedzki (1917) auf, der betont, dass die polnische Sprache für die Zugehörigkeit zur polnischen Nation ausschlaggebend sei. Die polnische Sprache sei mit der Sprache der alten Hellenen vergleichbar. Als unerwünscht betrachtet Niedzwiedzki die zahlreichen Lehnübersetzungen in der polnischen Sprache, weil sie eine Widerspiegelung fremder Gedanken in muttersprachlicher Form darstellten (ibd.: 9). Hier einige Beispiele für die Germanismen, die Niedzwiedzki polonisieren möchte; dabei sind unter (I) wiederum die im heutigen Standardpolnisch gebräuchlichen Wörter genannt (die meisten von den - in Klammern - angegebenen Ersatzwörtern haben sich nicht durchgesetzt), unter (II) die nicht mehr gebräuchlichen Wörter:

(I) para (dwojka), rynek (targowica), stal (twardza), szuflada (suwnica, popchnica), slusarz (zamecznik, zamkarz), turniej (igrzyska, zapasy, gonitwy)
(II) razura (golarnia), abszlus, ekstracug, ferklajdunk, szlichtada, festunek, liwerant, pakamer, pulwersak, szryft, trebhauz

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden in Polen mehrere Spezialwörterbücher mit Wörtern fremder Herkunft. Es handelte sich um Versuche zur Vereinheitlichung des Fachwortschatzes auf einzelnen Gebieten, zur Ersetzung bestimmter Fremdwörter durch einheimische Ausdrücke bzw. zur Erklärung von Wörtern fremder Herkunft, z.B. für das Handwerk (K. Stadtmüller 1921), die Seefahrt (B. Slaski 1922), das Rechtswesen (B. Slaski 1931), die Medizin (Slownik lekarski polski, 1905). Diese Unternehmen wurden meist von Behörden oder einzelnen Vereinen angeregt und hatten einen wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung der polnischen Fachterminologie.

Im Folgenden seien einige Beispiele aus Stadtmüller (1921) angeführt. Das Handwerk gehörte ja zu diesen Sachbereichen, deren Wortschatz deutlich von Germanismen dominiert wurde. Die vier ersten Wörter sind im heutigen Polnisch kaum bzw. nicht mehr geläufig, die anderen gelten als umgangssprachlich:

Deutsche Entlehnungen wurden auch von Autoren sprachpflegerischer Arbeiten angegriffen (z.B. Skobel 1872, Letowski 1915, Krynski 1921). Es handelt sich um Abhandlungen, in denen verschiedenartige sprachliche Fehler angeprangert werden und die auch Verzeichnisse unerwünschter Ausdrücke enthalten, darunter auch Wörter fremder Herkunft.

4.4 Zur Bekämpfung der Germanismen in der Sportlexik

Polonisierungsversuche im Sportbereich richteten sich verständlicherweise in erster Linie gegen Anglizismen. Ab und zu wurden aber auch deutsche Lehnwörter angegriffen. Besondern in den Spalten von Zeitungen und Zeitschriften sind solche Aktionen sichtbar. So wirft Jozef Podhalicz den Polen vor, alles Fremde in der Sprache zu loben (1924: 45f.): "Wezmy tylko takie Niemcy - aby sie przekonac, ze tak jest. Z ust Niemca nikt jeszcze nie uslyszal na zawodach wyrazenia obcego." ("Nehmen wir nur Deutschland als Beispiel, um uns zu überzeugen, dass sich die Sache so verhält. Aus dem Munde eines Deutschen hat im Laufe von Wettkämpfen noch niemand ein fremdes Wort gehört." - Übers.: R.L.). Einem einzigen Wort runda wird in der Zeitschrift Wychowanie Fizyczne (1927, 7-8: 216) Aufmerksamkeit gewidmet. Es sei ein "germanizm najniepotrzebniejszy a nader szpetny" ("ein am allerwenigsten nötiger und äußerst hässlicher Germanismus", Übers.: R.L.) und solle durch obieg oder (im Boxen) starcie ersetzt werden. Angemerkt sei hier, dass runda im heutigen Polnisch ein ganz bekanntes, nicht nur im Sport geläufiges Wort ist.

Insgesamt ist die abweisende Einstellung gegenüber Entlehnungen aus dem Deutschen unübersehbar, im Sportbereich wie außerhalb davon. Dies gilt vor allem für das 19. Jahrhundert und die ersten Jahrzehnte des 20. Jhs. und lässt sich mit der damaligen politischen Lage in Zusammenhang bringen. Der Widerstand gegen deutsche Spracheinflüsse im geteilten Polen (vor 1918) resultierte aus einer nicht ganz unbegründeten Angst vor Germanisierung.


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