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Die Partikel allein. Klassifizierungs- und Bedeutungsprobleme

(Mannheim)


0 Einleitung

In dem Aufsatz werden zwei Probleme behandelt, die bei den Arbeiten zum "Handbuch der deutschen Konnektoren" (HdK) von Pasch/Brauße/Breindl (in Vorbereitung) im Zusammenhang mit der Kategorisierung der Partikel allein aufgetreten sind. Eines betrifft die Wortartenklassifizierung. Es wird in Abschnitt I. behandelt. In bestimmten Typen von Kontexten kann nur schwer unterschieden werden, ob Fokuspartikel-Verwendung vorliegt oder das formgleiche Adjektiv. Weder die Bedeutungen noch die syntaktischen Umgebungen liefern in diesen Fällen Kriterien für eine überzeugende Unterscheidung.

In Abschnitt II. geht es um die semantische Kategorisierung von allein als restriktive Fokuspartikel. Es gibt nicht-restriktive Verwendungen der Fokuspartikel allein, die in Wörterbüchern als "evaluativ" bezeichnet werden. Es werden Argumente für die Auffassung vorgetragen, dass auch diesen Verwendungen eine restriktive Funktion zugrunde liegt.

Die semantische Beschreibung der Fokuspartikel allein, wie sie hier vorgeschlagen wird, erlaubt es, die Gemeinsamkeiten der restriktiven und der evaluativen Verwendungen herauszuarbeiten, was mit anderen Modellen bisher nicht gelungen ist. Dies Ergebnis kann u. E. als Hinweis darauf gelten, dass die zugrunde gelegte Annahme einer relationalen oder Konnektorbedeutung von Fokuspartikeln gerechtfertigt ist.


1 Zum Partikelstatus von allein


1.1 Das Problem

Allein ist eines der häufigen Lexeme mit mehreren Verwendungsmöglichkeiten, deren eine als Fokuspartikel kategorisiert wird. Fokuspartikeln sind die Partikeln, die gemeinsam mit ihrer Fokuskonstituente im Satz wandern können (und für die gleichbedeutend heute ebenfalls die Bezeichnung "Gradpartikeln" eingeführt ist, s. König (1991, 786)). Unkontrovers ist die Kategorisierung als Fokuspartikel in unbetonter Verwendung unmittelbar vor der Fokuskonstituente (in eckigen Klammern), die stark akzentuiert ist.

(1)   Allein [die RuheF] kann hier helfen.
(2)   Allein [der Gedanke daranF] ist schrecklich.1

Die Verwendungen in (1) und (2) haben folgende Gemeinsamkeiten:

(A1) i. die präfokale Position von allein,
  ii. der syntaktische Typ der Fokuskonstituente (eine Nominalgruppe),
  iii. der starke Akzent auf der Fokuskonstituente und
  iv. damit verbunden kein Akzent auf allein.

Damit gehört allein in beiden Verwendungen zur Kategorie der Fokuspartikeln. Der Bedeutung nach ist jedoch zwischen den Verwendungen in (1) und (2) zu unterscheiden. In (1) ist allein restriktive Fokuspartikel. Restriktive Fokuspartikeln haben die Funktion, mögliche Alternativen zur Fokuskonstituente auszuschließen. Die restriktive Funktion wird meistens umschrieben du rch "nichts anderes/kein anderer als". Gerade diese Funktion hat allein in (2) jedoch nicht. Alternativen als Argumente für die Prädikation werden nicht ausgeschlossen, sondern im Gegenteil zugelassen "auch anderes, hier: (der Gegenstand des Gedachten selbst ( ist nicht weniger schrecklich". In (2) ist allein also nicht restriktive Fokuspartikel, sondern wird, da in der Bedeutung der Fokuskonstituente eine bewertende Komponente enthalten ist, als "evaluativ" bezeichnet.

Eine weitere Verwendungsmöglichkeit, in der allein ebenfalls als Fokuspartikel kategorisiert wird, ist (3) mit dem syntaktischen Merkmalsatz (A2):

(3)   [GeldF] allein macht nicht glücklich.
(A2) i. die postfokale Position von allein,
  ii. der syntaktische Typ der Fokuskonstituente (eine Nominalgruppe),
  iii. der starke Akzent auf der Fokuskonstituente und
  iv. damit verbunden kein Akzent auf allein.

Mit Ausnahme der Position der Fokuspartikel (präfokal in (A1) und postfokal in (A2)) sind die Gebrauchsbedingungen (der syntaktische Typ der Fokuskonstituente und der starke Akzent auf ihr) unverändert.

Kategorisierungsunsicherheiten kann allein in folgenden Verwendungen verursachen:

(4)   [GeldF?] allein macht nicht glücklich.
(5)   [ErF?] allein trägt die Verantwortung.
(6)   [DasF?] allein reicht nicht aus.

Die Unsicherheit in Fällen wie (4) - (6), die durch den starken Akzent auf allein gekennzeichnet sind, rührt daher, dass durch diesen Typ von Akzentuierung die eindeutige Identifizierung der Nominalgruppe als Fokuskonstituente nicht gesichert ist.

Unsicher ist die Kategorisierung von allein auch dann, wenn die betonte Variante nicht in adjazenter Position nach der nominalen Fokuskonstituente auftritt wie in (4) - (6), sondern in Distanzposition. In diesen Fällen scheint auch der Bezug auf das Verb (7), (8), (9) plausibel, so dass eine Unterscheidung von der Verwendung des Lexems allein als adverbial gebrauchtes Adjektiv (10) nicht mehr möglich ist.

(7)   [GeldF1] [machtF2] nicht allein glücklich
(8)   [SieF1] [trägtF2] die Verantwortung allein.
(9)   [DasF1] [reichtF2] nicht allein aus.
(10)   Eva wohnt allein in dem Haus.

Keines der in (A1) genannten syntaktischen Kriterien für die klassischen Fälle von Fokuspartikel-Verwendung von allein trifft für die Verwendungsweisen in (7) - (9) uneingeschränkt zu. Es stellt sich daher die Frage, welche der Kriterien aus (A1) für die Kategorisierung von allein als Fokuspartikel konstitutiv sind.


1.2 Die Wortartenzugehörigkeiten des Lexems allein

Die Ursache des Kategorisierungsproblems ist die syntaktische und semantische Nähe von Fokuspartikel und Adjektiv allein.


1.2.1 Die Fokuspartikel allein

Als Fokuspartikel zählt allein zur semantischen Klasse der restriktiven Partikeln (König 1991) / zur nur-Gruppe (Altmann 1976). Weitere Elemente der Klasse sind nur, bloß, ausschließlich, einzig, lediglich. Den größten Variantenreichtum im semantischen und syntaktischen Gebrauch weist nur auf. Alle anderen Elemente sind - jedes in spezifischer Weise - in ihren Funktionen eingeschränkter. Sie sind in der Regel durch nur substituierbar.

Die unterschiedlichen Kontextbedingungen der Fokuspartikeln hat bereits Altmann (1976) untersucht. Seine Untersuchungen ergeben, dass allein im Vergleich zu nur sehr wenige syntaktische Kategorien als Fokuskonstituenten zulässt. Nur ist daher nur in sehr wenigen Verwendungen durch allein ersetzbar.

Allein als Fokuspartikel ist im Wesentlichen auf die Verwendung mit einer nominalen Kategorie als Fokuskonstituente beschränkt: Fokuskonstituente kann ein Nomen, eine Nominalgruppe, ein Präpositionalobjekt oder eine andere nominale Kategorie sein. Beispiele dafür sind typischerweise (1) und (2).

Nur dagegen lässt weitere syntaktische Kategorien als Fokuskonstituenten zu, vor allem Verbal- und Adjektivgruppen sowie Adverbien (11).

(11) a. Blinder Eifer schadet nur.
  b. Man kann nur abwarten.
  c. Sie ist nur ohnmächtig/höflich.
  d. Sie kamen nur mühsam voran.
  e. Das kommt nur selten vor.

Die Einheiten allein und nur sind wiederum beide als Fokuspartikel verwendbar, wenn die Bezugs- bzw. Fokuskonstituente der ganze Satz ist (12). Man spricht dann von maximalem oder Satzfokus.

(12) a. Allein/Nur, diesen Konflikt gibt es nicht erst seit gestern.
  b. Die Botschaft hör ich wohl, allein/nur mir fehlt der Glaube.

Allerdings unterscheiden sich auch bei Verwendung mit maximalem Fokus die syntaktischen Gebrauchsbedingungen beider Partikeln. Die von allein sind wiederum eingeschränkter. Allein kann nur wie in (12 a. und b.) vorangestellt, wie eine koordinierende Konjunktion, auftreten, nur auch in den Satz integriert, wie in (12 c. und d.):

(12) c. Nur gibt es diesen Konflikt nicht erst seit gestern.
  d. Diesen Konflikt gibt es nur nicht erst seit gestern.

Die Frage, ob dieser Wechsel der Bezugskonstituente von den Verwendungstypen (1), (2), (3) und (11), dem klassischen Fall der Fokuspartikel mit nur einer Konstituente des Satzes als Fokus, zu (12) mit einem ganzen Satz als Fokus mit einem Kategorienwechsel verbunden ist, wird nicht einheitlich beantwortet. Während Altmann (1976, 254) Fälle wie (12) als "Gradpartikel mit Satzskopus" kategorisiert, verfahren König u. a. (1990, 16) wie die Mehrzahl der Wörterbücher, die allein in (12) als koordinierende Konjunktion bezeichnen, die im Veralten begriffen ist. So auch Métrich (1992).

Ein Kategorienwechsel scheint wohl hier auch deswegen plausibel zu sein, weil mit dem Wechsel des syntaktischen Typs der Einheiten im Fokus von allein eine semantische Variation von der restriktiven Bedeutung der Gradpartikeln in (1) und (11) zur adversativen Bedeutung in (12) verbunden ist, wo allein im Sinne von "aber" verwendet wird.

Im Hinblick auf weitere Verwendungsmöglichkeiten lassen sich die restriktiven Fokuspartikeln auf folgende Weise ordnen:

  Nur quantifizierend sind zu verwenden: allein, ausschließlich, einzig.
  Eine skalierende Verwendung haben: nur, bloß, eventuell lediglich.
  Adversativ sind zu verwenden: allein, nur, bloß.
  Im Skopus der Negation treten auf: (nicht) nur/bloß/allein/ausschließlich/*einzi g/*lediglich

Einige der hier aufgeführten Ausdrücke haben Verwendungen, in denen sie nicht Partikel sind:

  allein prädikatives Adjektiv, attributiv alleinig.
  ausschließlich, bloß attributives Adjektiv
  bloß prädikativ im Sinne von "entblößt"
  einzig als Adjektiv attributiv und prädikativ verwendbar.


1.2.2 Das Adjektiv allein

Als Adjektiv in prädikativer Verwendung (13) und in adverbialer Verwendung (14) - (16) wird allein in folgenden Sätzen kategorisiert. In beiden Verwendungen ist es stark akzentuiert.

(13)   Du bist nicht allein.
(14)   Sie trägt die Verantwortung allein. (vgl. Satz (8)!)
(15)   Max kann schon allein laufen.
(16)   Eva spielt gern allein.

Die Klasse der Adjektive umfasst eine Reihe nicht prototypischer Randgruppen, denen auch allein zuzuordnen ist. Es ist als Adjektiv nicht attributiv verwendbar, es ist nicht flektierbar und nicht komparierbar. Damit hat allein auch einige Merkmale eines Adverbs. Es ist vielleicht mit anders vergleichbar, das die gleiche Distribution aufweist, aber als Adverb kategorisiert wird.

(17)   Beate ist anders.
(18)   Sie spricht anders.

Da allein auch in der Verwendung als Adjektiv eine restriktive Bedeutung "unter Ausschluss anderer Personen/Dinge, die unter den gegebenen Bedingungen möglich oder erwartbar wären" hat, ist eine Unterscheidung der Wortarten Fokuspartikel und Adverb aufgrund semantischer Kriterien nicht leicht möglich. Man kann aber sagen, dass allein in den Sätzen (13) - (16) sinngemäß nicht durch nur ersetzbar ist, wohl aber in (19 a - f).

(19) a. Du allein bist schuld an dem Unfall.
  b. Er allein trägt die Verantwortung.
  c. Das allein reicht nicht aus.
  d. Ich bin allein am Geldverdienen interessiert.
  e. Geld allein macht nicht glücklich.
  f. Das ist nicht allein deine Angelegenheit.

Obwohl allein in den Sätzen (19 a - f) sinngemäß durch nur ersetzbar ist, sind zwei syntaktische Unterschiede gegenüber nur feststellbar:


1.3 Kategorisierungsprobleme: Fokuspartikel vs. Adjektiv

In den Wörterbüchern wird, sofern Betonungsvarianten erwähnt werden, sowohl unbetontes als auch betontes allein in Verwendungen wie (19) als Fokuspartikel kategorisiert (Helbig 1988 und Langenscheidt GWB DaF 1998). Das bedeutet, dass nur die Restriktionen für den syntaktischen Typ der Fokuskonstituente (eine nominale Kategorie) als kriterial für den Kategorienwechsel vom Adjektiv zur Fokuspartikel betrachtet werden: Ist die Fokuskonstituente ein Nomen oder eine Nominalphrase, eine Präpositionalphrase oder ein bestimmter Typ von Quantifikationen, dann ist allein Fokuspartikel (19). Ist die Bezugskonstituente dagegen ein Verb, eine Verbgruppe, ein Adjektiv oder ein Adverb, kann allein nur Adverb sein (14) - (16).

Der Wechsel des Akzents wird in diesen Wörterbüchern als nicht entscheidend für die syntaktische Kategorisierung von alleinals Fokuspartikel betrachtet. Auch König/Siemund (1996) machen geltend, dass allein nicht der einzige Fall von Akzentwechsel ohne Einfluss auf die Kategorisierung als Fokuspartikel ist. Als vergleichbarer Fall wird neben auch die Partikel selbst genannt. Die Autoren kategorisieren beide Betonungsvarianten ungeachtet des mit dem Akzentwechsel verbundenen Bedeutungswechsels als Fokuspartikel.

(20)   Selbst der Klügste macht mal einen Fehler.
(21) a. Der Minister selbst wird uns empfangen.
  b. Der Minister ist selbst ratlos.
  c. Der Minister schreibt seine Reden selbst.

Die Bedeutung von unbetontem selbst in (20) kann mit "sogar" paraphrasiert werden. Akzentuiertes selbst hat in den verschiedenen Verwendungen unter (21) je verschiedene Bedeutungen, die aber in keinem Fall mit der Bedeutung "sogar" verwechselt werden können. In der adnominalen Verwendung (a.) wird die Bedeutung als "zentrierend" bezeichnet, das meint, dass die Fokuskonstituente als ein Zentrum charakterisiert wird gegenüber möglichen Alternativen, die in dem gegebenen Kontext die Peripherie bilden würden. Auch die Bedeutung der betonten Variante wird also, wie (b.) und (c.) ebenfalls, beschrieben als vom Typ der Fokuspartikel-Bedeutung, die eine Beziehung zu typengleichen Alternativen herstellt. Die Verwendung in (b.) und (c.) ist adverbial, d. h. die Fokuskonstituente ist eine VP. Die Bedeutung in (b.) wird als "inklusiv" bezeichnet und mit "auch" paraphrasiert, die Bedeutung (c.) als "exklusiv" und wird durch "allein" paraphrasiert, wobei anzumerken ist, dass die zur Paraphrasierung benutzten Einheiten nicht bedeutungsidentisch mit selbst sind.

Die Verwendungsweisen (20) und (21) weisen in der Tat Parallelen zu den Verwendungen von allein auf. Es gibt sogar eine weitere Parallele, die bei König/Siemund nicht erwähnt ist. Allein tritt in seiner unbetonten Variante präfokal und postfokal auf. Dasselbe trifft auch für selbst zu, wenn auch dessen postfokale Verwendung eher selten und wahrscheinlich poetischen Texten vorbehalten ist. Nichtsdestweniger gibt es sie (22), so dass die Formulierung "in dieser Verwendungsweise geht selbst seinem Fokus stets voraus" wohl zu streng ist.

(22)   Volkslied: Das Wandern ist des Müllers Lust.
    ...
    Die Steine selbst, so schwer sie sind,
Die Steine!
Sie tanzen mit den muntern Reihn
Und wollen gar noch schneller sein,
Die Steine.

Die sicher wenig gebräuchliche Verwendung von unbetontem selbst in postfokaler Position in (22) ist jedoch der Beweis, dass es auch in dieser Position die Bedeutung "sogar" behält. Nicht der Wechsel von selbst in die Position nach der Fokuskonstituente kann also für den Bedeutungswandel weg von der Bedeutung "sogar" verantwortlich sein, sondern ausschließlich der Akzentwechsel.

Für allein dagegen ist die unbetonte Position nach der Fokuskonstituente nicht ungewöhnlich. In zahlreichen Beispielen für die Verwendung von allein in der Position nach der Fokuskonstituente wie (19), (24), (25) und (28) - (31) kann entweder die Fokuskonstituente oder die Partikel den starken Akzent tragen. Anders als im Falle von selbst und nur vergleichbar mit auch führt der Akzentwechsel nicht zu einem Bedeutungswandel. Ungeachtet der Diskussion, ob Akzentwechsel bei selbst zu einem Wechsel der syntaktischen Kategorie führt oder nicht, sind die Bedeutungen von unbetontem und betontem selbst klar unterscheidbar. Im Falle von allein ist es umgekehrt: es ist unstrittig, dass die Verwendungen von allein zwei verschiedenen syntaktischen Kategorien zuzuordnen sind: entweder Adjektiv/Adverb oder Fokuspartikel. Strittig ist, welche Verwendungen welcher Kategorie zuzuordnen sind und außerdem, ob es einen Bedeutungsunterschied zwischen den Verwendungen in unterschiedlichen Kategorien gibt.

Die Kategorisierungsprobleme bei allein treten wie im Falle von selbst nur bei den betonten Formen auf. Die Kategorisierung der unbetonten Form ist unproblematisch. Unbetontes allein vor einer nominalen Konstituente oder einer Präpositionalphrase wird als Fokuspartikel kategorisiert, weil mit dieser unbetonten Form von allein die Fokuskonstituente eindeutig festgelegt ist wie in (23).

(23)   Damit widerspricht der Kirchenausschuß den Darstellungen der Sozialsenatorin, daß diese Einsparungen allein die BEK zu verantworten habe (T98/JAN.19029: die tageszeitung, 19.1.1998, S. 22)

In nicht kontrastierendem Kontext ist allein in (23) nur unbetont verwendbar. Anders wäre es, wenn allein in der Position nach der Fokuskonstituente stände (23a.)

(23) a. daß diese Einsparungen die BEK allein zu verantworten habe.

In der Position nach der Fokuskonstituente ist allein ambig. In (23a.) ist allein unbetont und betont möglich. Unbetont bleibt das nominale Element: die BEK Fokuskonstituente wie in vorangestellter Position in (23). Ist allein in nachgestellter Position dagegen betont, ist es nicht sicher, ob die BEK im Fokus von allein steht und betontes allein in (23a.) Fokuspartikel bleibt. Es ist ebenso plausibel, anzunehmen, dass seine Bezugskonstituente das Verb verantworten ist. Damit wäre allein hier adverbial verwendetes Adjektiv.

Diese Fälle von Fokusambiguität sind sehr häufig bei postfokaler Partikel und in einem Kontext, der es erlaubt, allein als Modifikator des Verbs zu interpretieren. Weitere Beispiele für Fokusambiguität sind z. B. (24) und (25):

(24)   Tiedemann entlarvt die Mörder mit ihren eigenen Zitaten. Dennoch ist er "skeptisch",ob Aufklärung allein ausreicht. (T98/JAN.20292: die tageszeitung, 20.1.1998, S. 22)
(25)   zwei Dutzend Wissenschaftler graben mit kleinen Plastikröhrchen im Schlamm, Ton und Gestein, um die Pröbchen in den nächsten Tagen in die Ozean-Institute der Welt zu schicken. Denn die Bohrkerne gehören nicht Bremen allein. (T98/JAN.29305: die tageszeitung, 29.1.1998, S. 28)

In den Sätzen (26) und (27) ist der syntaktische Typ der Fokuskonstituente unverändert, trotzdem erscheint eine Interpretation von allein als Fokuspartikel nicht angemessen zu sein. Hier ist der Verbbezug der präferente, der die Kategorisierung als Adverb nahelegt. Der Eindruck von Fokusambiguität entsteht bei diesen Sätzen nicht. In (27) ist allein auch nicht durch nur ersetzbar.

(26)   Was uns angeboten wird, entscheidet Radio Bremen allein, damit haben wir nichts zu tun. (T98/JAN.08282: die tageszeitung, 8.1.1998, S.22)
(27)   Einer der größten gesellschaftspolitischen Skandale der Bundesrepublik [...] wurde überhaupt erst durch das Politikmagazin "Panorama" aufgedeckt. Doch dieser Skandal allein war für Bonn kein Anlaß, sich um die verdrängten Opfer zu kümmern. (T98/JAN.13175: die tageszeitung: 13.1.1998, S.12)

Ein Mittel zur Disambiguierung von Fokusambiguitäten ist der Test, ob allein als Fokuspartikel nur in Verbindung mit seiner Fokuskonstituente frei im Satz rangierbar ist, oder ob es ohne Bedeutungsverlust als selbständiges Satzglied in andere für Adverbien zulässige Positionen im Satz wechseln kann. In Satz (27) und den Sätzen (28) - (33), weiteren Beispielen für Fokusambiguität von betontem allein, kann dieses ohne Fokuskonstituente rangiert werden und ist somit Adverb, (32) und (33) sind Belege für allein in Distanzstellung.

(28)   Innovationen sind wichtig, um der Kurdenfrage in Italien Herr zu werden. Mit der Polizei allein kommen wir da nicht weiter. (T98/JAN.22121 die tageszeitung, 22.1.1998, S.6)
(29)   Insbesondere Zumkley gefällt sich darin, die Hamburger Werft aufzufordern, ihr schwimmendes Kriegsgerät in die halbe Welt zu exportieren. "Von der Bundesmarine allein", weiß der Oberst a. D., "können die Werften nicht leben". (T98/12265: die tageszeitung, 12.1.1998, S.22)
(30)   Der Tunnel allein kann diesen Verkehr nicht bewältigen. (T98/JAN.23060: die tageszeitung, 23.1.1998, S.2)
(31)   "Ich will das Ding gewinnen", hat Elway [...] gesagt. Die Teilnahme allein reiche ihm nicht (T98/JAN.24209: die tageszeitung, 24.1.1998, S.15)
(32)   Denn "Bildung ist die neue soziale Frage des 21. Jahrhunderts". Lesen, Rechnen und Schreiben reiche da allein nicht mehr aus, verkündete er. (T98/JAN. 22121: die tageszeitung, 22.1.1998, S.6)
(33)   Klein beigeben wollen sie schon gar nicht. Und weil die Studierenden es allein nicht schaffen, hat sich der Asta der Universität Münster entschlossen, nach draußen zu gehen.(T98/JAN.27062: die tageszeitung, 27.1.1998, S.3)

Die Frage, inwieweit es eine Rolle spielt, dass allein in diesen Fällen von Fokusambiguität sehr häufig in Sätzen erscheint, die ein Negationselement enthalten, verdient noch eine genauere Untersuchung. Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die Interpretationsmöglichkeiten von allein in Satz (34).

(34) Sie kümmern sich nicht mehr allein um die Anliegen der Katholiken, sondern in erster Linie um die Rechte der Menschen allgemein. (T98/JAN.16448: die tageszeitung, 16.1.1998, S.1)

Der Kontext von (34) legt allein als unbetonte Fokuspartikel vor der Fokuskonstituente [um die Anliegen der Katholiken] fest. Disambiguierend wirkt der folgende sondern-Satz, in dem die Alternative des Fokus explizit benannt ist. In einem anderen Kontext ohne den folgenden sondern-Satz träte die Ambiguität von allein deutlich zutage, denn beide Betonungsvarianten sind gleichermaßen plausibel. In der betonten Form erfolgt obligatorisch ein Fokuswechsel auf das Verb kümmern. Die Bedeutung wechselt ebenfalls, und zwar zur adverbialen "ohne (die Hilfe) andere(r) (Menschen oder Institutionen)".


1.3. Fazit

Unbetontes allein unmittelbar vor oder nach einer Konstituente, die einen starken Akzent trägt, ist eine Fokuspartikel. Dem syntaktischen Typ nach ist die Konstituente eine Nominal- oder Präpositionalphrase.

Wird in der gleichen Umgebung nicht die Fokuskonstituente, sondern das Wort allein akzentuiert, so ist die Fokuskonstituente nicht eindeutig bestimmt. Der Kontext entscheidet darüber, ob wie im Falle von unbetontem allein die nominale Konstituente den Fokus bildet. In diesem Fall kann auch betontes allein als Fokuspartikel verstanden werden. Sehr häufig ist aber auch die verbale Konstituente als Bezugskonstituente interpretierbar, was dann allein zum adverbial gebrauchten Adjektiv machen würde.

Unsicherheiten bei der Zuordnung zu den Wortartenkategorien Fokuspartikel oder Adjektiv/Adverb entstehen deshalb häufig in Fällen von betontem allein, das nur in der Position.nach der Fokuskonstituente auftreten kann.


2 Die "evaluative" Bedeutung der Fokuspartikel allein


2.0 Bedeutungsvarianten von allein

Allein teilt mit anderen Fokuspartikeln der restriktiven Gruppe einige semantische Eigenschaften, mit nur und bloß die restriktive Funktion, die mit Ausdehnung des Fokusbereichs auf den ganzen Satz in eine adversative Funktion übergeht. Diesen semantischen Übergang machen nicht alle Fokuspartikeln der Gruppe mit: ausschließlich und einzig haben nie Satzskopus und infolgedessen auch keine adversative Bedeutungsvariante. Die bei bestimmten Fokuspartikeln auftretende Verbindung zwischen restriktiver und adversativer Bedeutung kann aber auch nicht an die Einzellexeme gebunden sein. Es muss sich dabei um eine generellere semantische Erscheinung handeln, denn sie tritt auch in anderen Sprachen auf, man denke nur an engl. but und only.

Die Variation zur Modalpartikel-Verwendung betrifft aus der Gruppe der restriktiven Partikeln nur nur und bloß, allein ist nicht betroffen. In den Fällen nur und bloß muss man aber wohl von idiosynkratischen Eigenschaften der Lexeme sprechen, denn in Modalpartikelverwendung sind beide funktional nicht identisch, vgl. (1). Ausführlicher dazu in Brauße (1997).

(1) a. Lass nur sein!
  b. Lass bloß sein!

Die skalare Verwendung von nur und bloß (2) ist eine Bedeutungsvariante, die ebenfalls systematischen Charakter haben muss, denn sie betrifft auch engl. only. Allein hat diese Bedeutungsvariante jedoch nicht, ebensowenig wie ausschließlich und einzig, die nur quantifizierend gebraucht werden.

(2)   Er hat den Vertrag nur unter Vorbehalt unterschrieben.

Dagegen kommt allein häufig in Verwendungen vor, die sich von allen bisher erwähnten unterscheidet und in denen allein auch nicht durch das multifunktionale nur ersetzbar ist, so z. B. folgendermaßen:

(3)   Allein der Gedanke daran ist furchtbar.
(4)   Boxen ist natürlich nicht ungefährlich. Sechs Leichtverletzte (gab es) allein beim letzten Kampf (Z95/512.00004 Die Zeit, 29.12.1995, S. 11)


2.1 Beschreibung der "evaluativen" Bedeutung in Wörterbüchern

In den Wörterbüchern, die eine Erklärung der nicht-restriktiven Bedeutung von allein, die es in (3) und (4) hat, bringen, wird diese unterschiedlich beurteilt, z. B.:
 

  Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (HdG) (1984)
II.1.2. "von allem anderen abgesehen": (schon) a. der Gedanke, a. (schon) der Gedanke, (schon) der Gedanke a. daran ist furchtbar.
  Helbig (1988): Lexikon deutscher Partikeln
allein2: "Hebt das Bezugsglied hervor, steigert seine Bedeutung für das Geschehen, drückt aus, daß von anderen Faktoren (die in einer angenommenen Skala der Wichtigkeit tiefer liegen) abgesehen wird (= schon 10); skalierende Interpretation."
  König/Stark/Requardt (1990)
1.b. "Bedeutung: evaluativ; der Fokuswert wird als niedrig bewertet; er reicht bereits für die Einschätzung des Sachverhalts aus, während die Alternativen dabei nicht von Bedeutung sind."
  Métrich u.a. (1992): Les invariables difficiles
Fonction: porte sur un élément ou membre de phrase qu'il met en relief; la donnée correspondante est présentée [...] 2. "comme suffisamment pertinente en elle-même pour que l'on puisse en tirer des conclusions sans prendre en compte d'autres données de même type (allein évaluatif)".
  Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache (1998)
2. (schon) a.; a. (schon) "verwendet, um e-e Aussage als besonders wichtig zu betonen".

Die Wörterbucheinträge lassen nicht erkennen, inwiefern die "evaluative" Bedeutung von allein sich von dem ebenfalls wertenden Charakter der skalaren Bedeutungvon nur unterscheidet. Es sollte jedoch deutlich werden, dass es sich um unterschiedliche Bedeutungen handelt, wobei verbindende Elemente sehr wohl bestehen. Aus den Wörterbucheinträgen geht jedoch nicht hervor, dass nur und allein in ihrer wertenden Funktion nicht substituierbar sind. Vielmehr entsteht aus der Angabe bei König/Stark/Requardt "der Fokuswert wird als niedrig bewertet" der Eindruck, evaluatives allein habe eine ähnliche Bedeutung wie skalierendes nur. Eine solche Schlussfolgerung ist aber nicht vereinbar mit den Angaben der anderen Wörterbücher, die sinngemäß den Fokuswert im Gegenteil als hoch bewertet angeben.

Wie sind diese geradezu gegensätzlichen Bewertungen der Funktion von "evaluativem" allein in den Wörterbüchern möglich? Und wie kann die bewertende Funktion des sogenannten "evaluativen" allein genauer beschrieben werden?


2.2 Bedeutungsbeschreibung der Fokuspartikeln nur und allein als Auslöser von Präsuppositionen

Die Funktion der Fokuspartikeln wird allgemein darin gesehen (so König 1991), dass sie Präsuppositionen auslösen, zu den Wahrheitsbedingungen des Satzes, dessen Bestandteil sie sind, aber keinen Beitrag leisten. Die restriktiven Fokuspartikeln nur und allein bewirken, dass der Satz, zu dem sie treten (i), zur Präsupposition wird. Der Beitrag der Fokuspartikel zur Satzbedeutung besteht im Ausschluss möglicher Alternativen zu dem von der Fokuskonstituente Bezeichneten (ii). Mit Hilfe des Negationstests, d. h. indem der ganze Satz z. B. durch eine Äußerung wie "Das ist nicht wahr!" negiert wird, kann der präsuppositionale Anteil von der übrigen Satzbedeutung unterschieden werden. Die Präsupposition (i) ist, wie (5) zeigt, von der Negation nicht betroffen. Negiert wird nur der Ausschluss von Alternativen (ii), worin die restriktive Funktion der Fokuspartikeln besteht.

(5)   Du allein/nur du bist schuld an dem Unfall.
  (i) Du bist schuld an dem Unfall (PR)
  (ii) Es gibt niemanden außer dir, der schuld ist an dem Unfall

Durch Negation wird (ii) bestritten.

Auch in skalierender Funktion wie in (6) macht die Fokuspartikel nur den Restsatz ohne die Partikel zur Präsupposition. Alternativen zur Fokuskonstituente werden auf einer gedachten Wertskala höher bewertet. Allein ist in skalierender Funktion nicht verwendbar.

(6)   Ich bin hier nur/*allein Zuhörer.
  (i) Ich bin hier Zuhörer (PR)
  (ii) Ich bin hier in keiner höher zu bewertenden Funktion als es ein Zuhörer ist (etwa als Vortragender z. B.)

Durch Negation wird (ii) bestritten.
(7) ist ein Satz mit der Fokuspartikel allein in "evaluativer" Funktion.

(7)   T91/JAN.12170: die tageszeitung, 12.1.1991, "Worauf sollen sie warten?", S. 6.
Die Forstarbeiter haben keine Arbeit mehr - in Brandenburg allein bis zu 7.000.

Wird die Partikel allein wie oben als Auslöser von Präsuppositionen beschrieben, so ergibt sich folgende Interpretation von Satz (7):

(7')   In Brandenburg allein haben 7000 Forstarbeiter keine Arbeit mehr.
  (i) In Brandenburg haben 7000 Forstarbeiter keine Arbeit mehr.
  (ii) Es gibt weitere Länder außer Brandenburg, in denen weitere Forstarbeiter keine Arbeit mehr haben. (PR)
  (iii) Diese bleiben unberücksichtigt. Die Zahl für Brandenburg ist schon hoch genug (evaluative Komponente)

Durch Negation wird (i) bestritten.

Dieser Typ der semantischen Beschreibung von "evaluativem" allein lässt den irreführenden Eindruck einer semantischen Nähe zur Bedeutung von auch entstehen.

Mit Hilfe des Negationstests werden die unterschiedlichen Verteilungen des präsuppositionalen Anteils an den Bedeutungen der Sätze mit den Fokuspartikeln nur und auch deutlich. Während durch Hinzutreten von nur der Satz ohne die Partikel (i) zur Präsupposition wird und der Bedeutungsanteil der Partikel in (ii) in Erscheinung tritt, ist die Verteilung bei Hinzutreten von auch umgekehrt: Durch Satznegation wird Teil (i) bestritten und ist somit der eigentliche Bedeutungsanteil. (ii) ist Präsupposition.

Im Vergleich der Bedeutungsbeschreibungen von Satz (7') mit evaluativem allein und Satz (8) mit auch erscheint die Bedeutung von allein als eine Spezifikation der Bedeutung von auch mit einer zusätzlichen evaluativen Komponente (iii).

(8)   Auch in Brandenburg haben 7000 Forstarbeiter keine Arbeit mehr.
  (i) In Brandenburg haben 7000 Forstarbeiter keine Arbeit mehr.
  (ii) Es gibt weitere Länder außer Brandenburg, in denen (weitere) Forstarbeiter keine Arbeit mehr haben. (PR).

Durch Negation wird (i) bestritten.

Da der in (7') angewandte Beschreibungstyp für die Bedeutung von "evaluativem" allein offenbar zu fehlerhaften Ergebnissen führt, wird in Abschnitt II.3. die im "Handbuch deutscher Konnektoren (HdK)" (in Vorbereitung) verwendete Beschreibungsmethode angewandt. Fokuspartikeln werden dort als ein spezieller Konnektorentyp behandelt. Die spezifische Konnektoreigenschaft der Fokuspartikeln besteht darin, dass sie eine Relation zwischen einer Satzbedeutung und einer Präsupposition bezeichnen. Die Fokuspartikeln selbst haben eine relationale Bedeutung.


2.3 Beschreibung von Fokuspartikeln als Konnektoren mit relationaler Bedeutung (vgl. HdK)

Wird die Konnektorbedeutung der Fokuspartikeln als Relation beschrieben, dann ist die additive Bedeutung des Konnektors auch durch die Relation ET ausgedrückt, die restriktive Bedeutung der Konnektoren nur und allein durch die Relation ET NON. Die durch die Fokuspartikeln verknüpften Relate sind je zwei satzförmige Strukturen, deren eine der Restsatz ohne die Partikel ist. Das andere Relat ist nicht notwendigerweise ein expliziter Ausdruck. Der u. U. nur implizite Satz ist jedoch unverzichtbarer Teil der Partikelbedeutung, so dass Fokuspartikeln eine Relation zwischen der Bedeutung des Restsatzes und der eines anderen Satzes ausdrücken. Dieser ist manchmal im Kontext des Partikelsatzes zu finden, in anderen Fällen wird er aufgrund der Partikelbedeutung erschlossen.

Die durch die Partikelbedeutung verknüpften Sätze sind je ein behaupteter und ein präsupponierter Satz. Auch als relationale Bedeutung beschrieben bleibt die Verteilung von behauptetem und präsupponiertem Bedeutungsanteil an den Satzbedeutungen der auch- und nur-Sätze so wie in Abschnitt II.2 erläutert:

Auch ist eine Fokuspartikel, die den von dem Restsatz ausgedrückten behaupteten Bedeutungsanteil mit einer präsupponierten Satzbedeutung verknüpft (vgl. (8)).

(8)   Auch in Brandenburg haben 7000 Forstarbeiter keine Arbeit mehr.
auch:
    (x (in x haben 7000 Forstarbeiter keine Arbeit mehr(, x = Brandenburg)
ET
(y (in y haben 7000 Forstarbeiter keine Arbeit mehr(, y ( Brandenburg)

Die Relatorbedeutung ist als Operator ET dargestellt. Die Relate, also die Satzbedeutungen, haben einige verallgemeinerbare Eigenschaften, die durch den Quantor ( und die Variablen x und y beschreibbar sind. Die Bedeutung beider Relate ist paraphrasierbar wie in II.2.:

  (i) In Brandenburg haben 7000 Forstarbeiter keine Arbeit mehr (= Behauptung)
  (ii) Es gibt weitere Länder außer Brandenburg, in denen (weitere) Forstarbeiter keine Arbeit haben (= Präsupposition).

Auch verknüpft die Bedeutung des behaupteten Restsatzes mit einem weiteren, präsupponierten Satz.

Anders, wie bereits in II.2 erläutert, ist die Verteilung von behauptetem und präsupponiertem Bedeutungsanteil bei Partikelsätzen mit nur. Der Restsatz (i) ist hier der präsupponierte Bedeutungsanteil, er wird durch die Negation nicht tangiert. Behauptet ist bei nur-Sätzen der nicht geäußerte (implizite) Relatsatz.

In der folgenden Darstellung (9) ist die Negation NON Teil der Relatorbedeutung. Damit ist die restriktive, andere Alternativen ausschließende Bedeutung als Teil der Relatorbedeutung gekennzeichnet. Die Negation erscheint folglich nicht mehr, wie es in der in II.2 referierten Bedeutungsdarstellung (5) der Fall war, als Teil der Bedeutung des impliziten Satzes (ii). Restriktives nur (in der Kombination ET NON die Konnektorbedeutung der Fokuspartikel nur/allein) als Relator verknüpft die Satzbedeutungen (i) und (ii), indem die durch restriktives nur ins Spiel gebrachte Alternative (ii) ausgeschlossen wird.

  (i) in Brandenburg haben 7000 Forstarbeiter keine Arbeit mehr (=Präsupposition)
  (ii) in weiteren Ländern haben Forstarbeiter keine Arbeit mehr (=Behauptung)

Wie der Negationstest zeigt, ist bei restriktivem nur die implizite Alternative der behauptete Teil, der von einer Negierung des Satzes betroffen ist.

In der folgenden leicht formalisierten Darstellung unter (9) werden kommen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Bedeutungen von auch und nur deutlicher zum Ausdruck.

(9)   Nur in Brandenburg haben 7000 Forstarbeiter keine Arbeit mehr.
nur/allein (restriktiv)
    ((x (in x haben 7000 Forstarbeiter keine Arbeit mehr(, x = Brandenburg)
ET NON
((y (in y haben 7000 Forstarbeiter keine Arbeit mehr(, y ( Brandenburg)

Diese Form der Darstellung ermöglicht auch einen Vergleich zwischen der restriktiven und der sogenannten "evaluativen" Bedeutung von allein. In dieser Form kommt zum Ausdruck, dass die Relatorbedeutung ET NON des restriktiven allein auch bei der "evaluativen" Verwendung anzusetzen ist. Die Bedeutung von "evaluativem" allein wird so als Alternativenauschluss interpretiert, der Relate einer anderen Bedeutungsebene in Beziehung setzt. "Evaluatives" allein unterscheidet sich nicht in dem Teil seiner Bedeutung, der die Relator- oder Konnektorbedeutung ausmacht, von restriktivem allein, sondern dadurch, dass die Relate, d.h. die verknüpften Satzbedeutungen, nicht auf der propositionalen Ebene anzusiedeln sind. Die Darstellungsweise unter (10) soll zum Ausdruck bringen, dass der Satz in dieser Interpretation keine Aussage darüber ist, welche durch die Fokuskonstituente festgelegten Einheiten als existent, und welche anderen als nicht-existent bestimmt werden, sondern in (10) markiert die Fokuskonstituente den Bereich, über den allein im aktuellen Fall gesprochen werden soll. Alle anderen Alternativen werden als in der aktuellen Diskussion irrelevant ausgeblendet.

(10)   Allein in Brandenburg haben 7000 Forstarbeiter keine Arbeit mehr.
allein ("evaluativ")
    (ich beziehe mich in meiner Rede auf x (in x haben 7000 Forstarbeiter keine Arbeit mehr(, x = Brandenburg)
ET NON
(ich beziehe mich in meiner Rede auf y (in y haben 7000 Forstarbeiter keine Arbeit mehr(, y ( Brandenburg)

Restriktives allein bestimmt die Fokuskonstituente als den Geltungsbereich der im Satz ausgedrückten Prädikation. Andere mögliche Gestungsbereiche werden ausgeschlossen.

"Evaluatives" allein bestimmt die Fokuskonstituente als den Bereich, der in der aktuellen Situation als Diskussionsgegenstand gelten soll. Die Prädikation bezieht sich auf diesen Bereich als Diskussionsgegenstand. Andere Diskussionsgegenstände werden in der aktuellen Situation ausgeschlossen. Das heißt nicht, dass die Prädikation nicht auch für andere als den Bereich im Fokus gelten kann. Sie stehen bei der "evaluativen" Verwendung nur nicht zur Diskussion.

Wenn an dieser Stelle "evaluatives" allein auch als eine auf die Ebene des Redebereichs spezialisierte Verwendung der restriktiven Partikel beschrieben wurde, soll keineswegs die für diese Verwendung charakteristische wertende Komponente geleugnet werden. Sie stellt sich in diesem Kontext als eine konversationelle Maxime im Griceschen Sinne dar. Dadurch dass durch "evaluatives" allein der Bereich der aktuellen Rede explizit festgelegt und alle anderen ausgeschlossen werden, wird der Redebereich als der wichtige, relevante ausgezeichnet und alle denkbaren Alternativen als nicht so ins Gewicht fallend herabgestuft. So kommt es zu der wertenden Komponente "andere Alternativen können als hier nicht relevant unberücksichtigt bleiben". Auf Beispiel (10) bezogen kann die wertende Komponente paraphrasiert werden als "Von anderen Ländern soll hier gar nicht die Rede sein. Die Zahl für Brandenburg sagt schon genug".


2.4 Fazit

Wenn allein (eval.), auch und nur in (8) - (10) als relationale Ausdrücke beschrieben werden, die als Konnektoren zwischen einer Satzbedeutung und einer Präsupposition fungieren, zeigt sich, dass allein in evaluativer Verwendung ein Ausdruck für die gleiche Relation ist, die auch durch restriktives nur und allein ausgedrückt wird: ET NON.

Der Bedeutungsunterschied, der in der "evaluativ" genannten Verwendung gegenüber der restriktiven zum Ausdruck kommt, beruht darauf, dass restriktives nur/allein eine Relation auf der propositionalen Ebene ausdrückt (9), das sogenannte "evaluative" allein die gleiche Relation auf der Ebene des Sprechakts (10).


Anmerkungen

1 Die Unterstreichung des Vokals markiert die akzentuierte Silbe. Durch Akzentuierung wird der Fokus der Partikel angezeigt. Fokus ist der Teil der Bedeutung eines Satzes, der in der betreffenden Verwendung mit einer anderen mentalen Einheit der gleichen semantischen Rolle kontrastiert wird. Im Fall der restriktiven Grad- oder Fokuspartikeln ist der Fokus diejenige Bedeutungseinheit, zu der mögliche Alternativen durch die Partikelbedeutung ausgeschlossen werden. Die Ausdehnung des Fokusbereichs ist durch den Akzent nicht eindeutig festgelegt. Sie kann in Abhängigkeit vom Kontext variieren, jedoch befindet sich die akzentuierte Silbe innerhalb des Fokusbereichs. In einigen Beispielsätzen ist er durch eckige Klammern gekennzeichnet. [Zurück]
2 Fokuskonstituente ist der Teil eines Satzes, der durch Akzentuierung als Fokus bestimmt wird. In den Beispielsätzen (1) - (10) ist die Fokuskonstituente durch eckige Klammern markiert. [Zurück]


Literaturverzeichnis

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