Linguistik online 9, 2/01


(Bern)

Zu diesem Heft


Gerade im Bereich der Fremdsprachenvermittlung finden sich immer wieder neue Fragestellungen und Aspekte, was natürlich nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass die tägliche Konfrontation der Theorie mit der Praxis kaum irgendwo so groß ist wie hier. Dieser ständige Praxistest erweist sich offensichtlich als sehr fruchtbar. Das große Echo, das der "Call for papers" für dieses Heft gefunden hat, führt dazu, dass recht bald noch eine weitere Ausgabe von Linguistik online dem Gebiet der Fremdsprachenvermittlung gewidmet sein wird.

Dem breiten Echo entsprechend ist auch der Rahmen der Themen, die von den Autorinnen und Autoren dieses Heftes in Angriff genommen worden sind, sehr breit: er reicht von den kleinsten Wörtchen, die es beim Erwerb des Deutschen als Fremdsprache zu lernen gilt und die als Problem berüchtigt sind, bis hin zur generellen Einstellung zur gesamten, (multi-) nationalen Sprache; er umfasst auch, sozusagen in der Mitte zwischen diesen Extremen, die Frage nach der Berücksichtigung ihrer lokalen Varietäten. Mit den Partikeln des Deutschen beschäftigen sich gleich zwei Beiträge. Yves Bertrand gibt in seinem Artikel "Deutsche Unflektierbare aus französischer Sicht. Zum Beispiel wieder" einen Einblick in das Wörterbuchprojekt Les invariables difficiles der Groupe lexicographique de l'Université Nancy II. Er stellt am Beispiel eines einzelnen Lexikoneintrages, der für den noch ausstehenden vierten Band des Projektes fertiggestellt werden muss, die Schwierigkeiten und Notwendigkeiten dar, denen ein solcher Eintrag gerecht werden muss - nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Regeln der neuen Rechtschreibung. Kjell T. Hegelund hingegen nimmt sich des Gegenstands aus einer anderen Perspektive an. Sein Beitrag "Zur Bedeutung der deutschen Modalpartikeln in Gesprächen unter besonderer Berücksichtigung  der Sprechakttheorie und der DaF-Perspektive" unternimmt den Versuch, die Bedeutung der Mitglieder dieser Wortklasse unter sprechakttheoretischen wie unter kommunikativ-stilistischen Gesichtspunkten zu erfassen und unter diesem Aspekt ihre Relevanz für Muttersprachler wie DaF-Lernende möglichst genau zu bestimmen. Auf der Basis konkreter Erfahrungen beim Experimentieren mit einem neuen Medium entstand Lela-Rose Englers Text "Deutsch lernen über das Internet". Die Autorin hat das Internet, dessen Einsatz ja im Bildungssektor generell zunehmend an Bedeutung gewinnt, für den DaF-Fernunterricht in Chatrooms eingesetzt und zieht erste Lehren aus einem Distanzkurs mit schwedischen Deutschlernenden.

Die Einstellung von Lehrenden und Lernenden gegenüber der Vermittlung von Dialekten und anderen Varietäten des Deutschen haben Harald Baßler und Helmut Spiekermann mit Hilfe von Fragebögen erfasst. Auch wenn sich in ihren in "Dialekt und Standardsprache im DaF-Unterricht. Wie Schüler urteilen - wie Lehrer urteilen" vorgestellten Ergebnissen oft erhebliche Bedenken spiegeln, bekundet doch auch eine erstaunlich hohe Zahl der Befragten lebhaftes Interesse an einer Vermittlung zumindest passiver Dialektkenntnisse. Konkrete Erfahrungen mit DaF-Lernenden, die daran interessiert sind, passive wie auch aktive dialektale Sprechkompetenzen zu erwerben, gibt im Kapitel "Erfahrungsberichte" Barbara Feuz mit "Dialektale Varietät als Fremdsprache unterrichten - ein Erfahrungsbericht" weiter. Die alemannische Varietät des Deutschen, um die es dabei geht, das sog. Berndeutsch, ist auch für Muttersprachler des Deutschen, sofern sie nicht selbst hochalemannische Dialekte sprechen, nicht verständlich und muss gelernt werden - hier ist DaF-Unterricht also auch für deutsche Muttersprachler nötig. Eine kleine Audio-Datei mit einem Ausschnitt aus dem Lehrbuch Bärndütsch. Ein Lehrgang für Ausländer und Nicht-Deutschschweizerermöglicht einen ersten Eindruck von dem, was hier gelehrt wird.  Ein weiterer, aber ganz anders gearteter Erfahrungsbericht von Christa Knapp: "DaF-Praktikum in China. Ein Erfahrungsbericht" gibt einen Eindruck von den konkreten Problemen der DaF-Praxis in einer sehr fremden Umgebung und bietet darüber hinaus einen Einblick in Struktur und Organisation des universitären DaF-Unterrichts in Peking. Auch wenn diese Erfahrungsberichte nicht im eigentlichen Sinne wissenschaftliche Aufsätze sind, schienen sie der Herausgeberin doch eine wertvolle Ergänzung für ein Heft zum Thema Deutsch als Fremdsprache.

"Fehlende Sprachloyalität? Tatsachen und Anmerkungen zur jüngsten Entwicklung des öffentlichen Sprachbewusstseins in Deutschland" von Wolf Peter Klein schließlich ist der Grundsatzartikel, der unter der Rubrik "Programmatisches" das Heft einleitet. Er beschäftigt sich mit Einstellungen zur deutschen Sprache, von der "illoyalen" Bereitschaft, sie zugunsten einer anderen - beispielweise des Englischen - aufzugeben, bis zu dem sprachpflegerischen Bestreben, sich für Pflege und Erhalt des Deutschen einzusetzen, wie dies zahlreiche Institutionen verschiedenster Art tun.

Ergänzt wird die vorliegende Ausgabe durch Torsten Leuschners und Jeroen Van Pottelberges Rezension zu einem Buch, das für DaF-Interessierte sicher von Bedeutung ist:  der Aussprachekurs Deutsch von Ulrike Kaunzner (Heidelberg: Groos 1997).